Mittwoch, 30. März 2011

Tumbaco - Pasto: Endlich in Kolumbien!

Nach so langer Zeit bei Santiago fiel der Abschied schwer. Aber es war Zeit, weiterzufahren und so haben wir eines nicht allzu frühen Morgens unsere Velos bepackt und uns von allen permanenten und temporären Bewohnern der Casa de Ciclista in Tumbaco verabschiedet. Wie von Santiago empfohlen, folgten wir die ersten ca. 40 km bis El Quinche dem Chaquiñan, dem Veloweg, der dem alten Gleis entlangführt. Als alte Bahnstrecke gibt es dort keine sehr steile Abschnitte, je weiter man sich von Tumbaco entfernt, umso schlechter wird allerdings die Qualität des Weges. Dank dem vielen Regen in den letzten Tagen waren einige Stellen sehr schlammig und die an diversen Orten hervorstehenden Gleise verlangen dauernde Konzentration, oder man riskiert, abgeworfen zu werden...

Jener erste Radeltag nach so langer Pause blieb denn auch relativ kurz. Wir fanden in El Quinche ein nagelneues und günstiges Hostal (mit einem riesen Flachbildschirm-Fernseher an der Wand), besichtigten die Kirche des Wallfahrtsortes und gingen dann wie üblich früh schlafen.

Virgen del Quinche.

Der nächste Morgen kam bald und weiter ging die Reise. Nach ein paar Kilometern erreichten wir wieder die Panam und krochen die Steigung nach Cayambe hinauf. Der starke Verkehr hier war zwar lästig aber immerhin ist die Panam mit einem breiten Seitenstreifen ausgerüstet. Kurz vor der Stadt befand sich noch eine spezielle "Sehenswürdigkeit", der Äquator. Links der Strasse fanden wir eine unscheinbare Betonkugel mit einer Art kleiner Plaza rundum, nahmen an, dass die Linie auf der Plaza den  Äquator markierte und machten ganz fasziniert Fotos.

Am Äquator?

Wir waren kaum weitergefahren, als wir ein grosses Schild sahen, das auf die Äquatorlinie hinwies. Hmm, was war denn das vorhin gewesen? Wir gingen die Sache untersuchen und fanden eine riesige Sonnenuhr und ein Monument "Mitad del Mundo". Hier war auch ein Señor stationiert, der den Besuchern Sonnenstände, Wendekreise und 1'000-jährige Observatorien erklärte. Anscheinend befand sich auch die Linie 0'0'0' hier und nicht etwa 100 Meter weiter südlich. Oh, whatever, dann ist der Äquator eben erst hier.

Hier nun wirklich auf der Äquatorlinie.

In der Stadt machten wir kurz Pause, Martina musste ihr Mail checken betr. einer Adresse, wo sie ihre neue Visa-Karte hinschicken lassen kann. Die Schweizer Botschaft in Bogatá stellt sich weniger kompliziert an als das Konsulat in Medellín. Nach Cayambe fanden wir problemlos die Nebenstrasse, die durch die Sierra nach Ibarra führt. Hier hatte es bedeutend weniger Verkehr, die paar Busse stanken aber auch hier ganz schön.

Strasse durch die Sierra heisst logischerweise, dass es bergauf geht. Netterweise war die Steigung aber nicht so krass absurd und wir kamen gut voran. Das Hochtal, in dem wir schon bald ankamen, war grün und idyllisch, wie aus dem Bilderbuch. Einzig bedrohlich waren die dunklen Wolken hinter uns, die keinen Zweifel aufkommen liessen, was uns an jenem Nachmittag noch erwarten würde. Bald hörten wir Donnergrollen und hofften, ein Dach über dem Kopf zu finden, bevor der Himmel die Schleusen öffnete. Wirklich daran glauben taten wir aber nicht und waren umso überraschter, als wir nach einer kurzen, steilen Bajada im Ortseingang von Olmedo standen. Auf unsere Anfrage bekamen wir auch gleich den Weg zu einer Hospedaje erklärt, da ging ja wieder einmal alles auf. Oder? Die erwähnte Hospedaje fanden wir dann nicht so schnell wie erhofft, ein netter Herr führte uns jedoch gleich zu dem Haus, dem von aussen nichts anzusehen war. Die Señora, die öffnete, schien den auch eher zögerlich und nicht wirklich geneigt, uns aufzunehmen. Als es nach den ersten Tropfen nun immer stärker zu regnen begann und wir etwas ungeduldig fragten, ob es hier denn nun eine Übernachtungsmöglichkeit gäbe, meinte sie, sie hätte keine Betten, wir könnten auf dem Boden schlafen. Kein Problem, wir hatten ja Matten. Damit war das Problem gelöst, wir wurden reingelassen und fanden sogar für unsere Bicis einen trockenen Abstellplatz.

Wir erhielten ein hübsches Zimmer und einen grossen Karton, wo wir unsere Nester draufbauen konnten. Wir waren kurz nach 15 Uhr in Olmedo angekommen und nutzten die verbleibende Zeit des Nachmittgs für ein paar Unterhaltsarbeiten. Sprich, ich putzte und ölte meine Kette, Martina tauschte ihre Kette aus. Sie hatte Probleme mit der Gangschaltung, was bei einer Rohloff eigentlich nicht üblich und eher besorgniserregend war. Von dem Kettenwechsel erhoffte sie sich nicht allzuviel, sie wollte aber ausschliessen, dass die Kette die Ursache des Ärgers war. Später erhielten wir von unserer Señora Kaffee und ein Brötchen, was natürlich sehr willkommen war. Das Brötchen diente auch als Eisbrecher gegenüber ihren Hündlis, von denen speziell ein kleiner, weisser Kläffer von unserer Anwesenheit extrem verstört war und nicht aufhörte, hysterisch zu bellen, wenn immer wir ins Blickfeld kamen.

Nach einer kalten Nacht auf über 3'000 müM kamen wir nur mit Mühe aus unseren Schlafsäcken. Das Problem hier war, dass wir ja unsere Hochgebirgs-Säcke gegen leichte, dünne Schlafsäcke getauscht hatten die auch mit Fleece-Inlets noch lange nicht für solche Höhen tauglich waren. Wir erhielten zum Frühstück nochmals Kaffee und Brötchen und pedalten etwa gegen 7 Uhr los. Bis Ibarra sei alles "pura bajada", hatten wir gehört. Obwohl wir dieser Information nicht wirklich glaubten (kein besonderer Anlass, mehr aus Prinzip), schien das einigermassen zu stimmen. Die schöne Asphaltstrasse ging zwar erst in eine recht schlammige, löchrige Erdstrasse und später in mein geliebtes "empedrada" über, aber Steigungen gab es keine nennenswerten. Es war auch sonnig und wir hatten gute Sicht auf den Cayambe.

Bus auf typisch ecuadorianischer Steinstrasse.

Nach etwa fünf Kilometern relativ flachem Weg kippte die Strasse plötzlich weg und es ging steil den Berg runter. Je weiter nach unten wir kamen, desto besser wurde die Qualität des Steinbelags, in Kurven und an anderen Stellen mussten wir aber immer noch durch tiefen Schlamm oder Pfützen manövrieren.  Die Strasse führte mal mehr mal weniger steil durch ein hübsches, grünes Tal ins Dorf Zuleta, das offenbar in gewissen Masse touristisch erschlossen war und in vielen Häusern Handstickereien angeboten wurden. Trotzt Tourismus wirkte die Gegend und die Leute noch sehr ursprünglich, die Frauen trugen ihre traditionellen, schönen Trachten und viele Leute waren zu Pferd statt im Auto unterwegs.

In La Esperanza sind die Leute offensichtlich glücklich.

 Einige Kilometer nach Zuleta kamen wir in eine weiteres Dorf, La Esperanza. Santiago hatte diesen Ort erwähnt, der früher eigenständig war, heute ein Aussenquartier von Ibarra ist. Noch bis sehr weit im Tal wirkte die Gegend ländlich, bis sich dann der Baustiel änderte und wir uns klar in Ibarra befanden. Auch die Strasse, zuvor mit normalen Steinen "befestigt", jetzt mit jenen geformten Steinplattenund mit viel Verkehr. Wir kauften ein paar Sachen ein, machten in einem Park eine kurze Znünipause, suchten dann die Panam und verliessen die Stadt so schnell wie möglich. Erst ging es ein paar Kilometer etwas auf und ab, vorbei an zahlreichen Night Clubs und Motels (in Motels werden die Zimmer stundenweise vermietet), dann begann eine lange, coole Bajada ins Tal des Río Chota, wo wir die Panam wieder verliessen um nach El Ángel hinaufzustrampeln. Im Tal war es brütend heiss und jetzt um die Mittagszeit verschmachteten wir fast. Nach etwa einem Kilometer fanden wir eine Bushaltestelle mit überdachter Bank, sprich, es gab Schatten. Also stoppten wir und assen unser übliches Brot mit Tomaten und Käse und versprührten nicht die geringste Lust, bei solchen Temperaturen die Steigung fortzusetzen.

Ich stelle jetzt mal die Vermutung auf, dass wir zwei Gringas nicht die ersten Leute waren, die in diesem Tal unter körperlicher Anstrengung in der Hitze litten. Gerade neben unserem Rastplatz stand nämlich ein Denkmal an die vielen schwarzen ArbeiterInnen, die in diesem Tal jahrhundertelang  auf Zuckerrohrfeldern gearbeitet und gelitten hatten. Gegen das, was jene Sklaven und später schlecht bezahlten Arbeitskräfte durchgemacht haben müssen, ist unsere Reise vermutlich ein Zuckerschlecken. Das Chota-Tal ist übrigens noch heute vorwiegend von Schwarzen bewohnt.

Denkmal für die Zuckerrohr-ArbeiterInnen.

Schliesslich fuhren wir aber doch weiter. Ich hatte mir in Quito neue Hosen gekauft um jene von VeloPlus zu ersetzen, deren Sitzfläche fast nur noch aus Flicken bestand, was mit der Zeit nicht mehr so bequem war. Bei diesen neuen Hosen waren schweissnasse Stellen viel sichtbarer und wenn ich mal abstieg, sah es aus als hätte ich in die Hose gemacht. Ok, also nicht mehr absteigen, immer schön weiterfahren. Da Martina jedoch mehr als ich unter der Hitze litt, musste ich ab und zu auf sie warten. Ich hatte auch von normalen Pedalen auf solche mit Clips umgestellt, ob ich damit wirklich schneller bin als vorher, weiss ich nicht, vielleicht ein kleines Bischen. Bei einer dieser Pausen erblickte ich auf der anderen Talseite nicht nur dunkelgraue Wolken, dort war ein heftiger Regenschauer im Anzug, der Regenbogen davor liess die Sache zwar schöner aussehen, änderte jedoch nicht die Tatsache, dass wir besser Regenschütze montierten.

Wo's ein Bogen hat, hat's auch Regen.

Der Regen wurde uns denn auch schon bald ins Gesicht geblasen, von dem Wind, der uns zuvor daran hindern wollte, den Hang hochzukommen. So stark wie erwartet war das Unwetter aber nicht. Das Donnergrollen, das ich zuvor gehört hatte, widerholte sich nicht. Und es war immer noch ziemlich warm und  mit Regenjacke und -hosen schwitzten wir noch mehr als zuvor. Nach einigen Kilometern war der Regen auch schon wieder vorbei und wir zogen uns wieder aus. Der Nachmittag zog sich dahin und wir erreichten nach sieben Stunden Nettofahrzeit um 17.15 Uhr das Dorf Mira, wo wir uns eine Unterkunft suchten und erst mal ein paar Minuten platt auf den Betten lagen.

Früh am nächsten Morgen brachen wir auf in Richtung El Ángel. Das Wetter war wieder sehr unentschlossen und wir wussten auch nicht recht, ob wir nun mit Regenschutz oder ohne fahren sollten. Die Steigung war etwas länger jedoch weniger steil als tags zuvor und am späten Morgen hatten wir El Ángel erreicht. Santiago hatte uns eine Nebenstrasse durch den Páramo empfohlen, die sehr schön sein soll. Gemäss Santiago gehe es nach Tulcán auch abwärts. Der Polizist, den wir fragten, meinte jedoch, dass die Strasse erstens empedrada sei, also einer jenen Oberflächen, die für Ciclistas äusserst anstrengend sind, es auch noch massiv bergauf gehe und das Wetter schlecht sei und wir mit Sicherheit dort oben verregnet würden. Diese Kombination klang nun ganz und gar nicht verlockend, wieso sollten wir uns so extrem anstrengen, wenn wir ausser Nebel ohnehin nichts sehen würden. Und falls wir es nicht bis zum Refugio schafften, würden wir campen müssen, jedoch ohne unsere warmen Schlafsäcke und dort oben war es kalt. Nöö, auf all das hatten wir wenig Lust, also blieben wir auf der Hauptstrasse und flitzten nach Bolívar zur Panam hinunter. Dort war das Wetter zwar nicht sehr viel besser aber es war nicht so kalt. Die Strasse belästigte uns zwar mit viel stinkendem Verkehr, dafür war sie alphaltiert und wir kamen einigermassen zügig vorwärts. Obwohl, der Polizist hatte gesagt, hier sei es flach. Was stimmt ist, dass man keine Höhe gewinnt, weil es nach jedem Hügeli sogleich wieder hinunter ging, da die kurzen Steigungen jedoch steil waren, war diese Hügellandschaft durchaus anstrengend.

In Bolívar gib's noch ein Mamut.

Nach einer Mittagspause unter dem nächsten Bushaltestellen-Dach ging's weiter. Schon bald wieder in strömendem Regen. In San Gabriel hätte es Unterkünfte gegeben, wir wollten aber noch weiter und hofften, dass die Information stimmte, dass es in einem Dorf etwa 20 km weiter nördlich ein Hostal gäbe. Da später am Nachmittag die Sonne wieder durchbrach, schälten wir uns wieder aus unserer Vermummung heraus. Wir erreichten Julio Andrade, den Bestimmungsort des Tages, wieder gegen 17 Uhr nach wiederum ungefähr 7 Stunden im Sattel. Der ersten Eindruck der Residencial war nicht so überzeugend, es gab jedoch keine Alternative und das Zimmer, das wir schlussendlich erhielten, war gar nicht so schlecht.

Es fehlten noch knappe dreissig Kilometer bis zur Grenze und wir freuten uns darauf, endlich Kolumbien kennenzulernen. Das vielgerühmte, schon fast legendäre Land der Ciclistas, der netten Leute und der guten Früchte. Doch zuerst mussten wir durch die Ecuadorianische Migración und ich wusste nicht, ob es dort evtl. Probleme geben würde, da ich etwa drei Wochen über mein Visum hinaus im Land geblieben bin. Gemäss Information in Quito gibt es keine Bussen mehr, blieb jedoch die Frage, wie das in der Praxis aussehen würde. Meine Sorgen waren schon fast ein Scherz. Der Beamte zuckte mit keiner Wimper, ich weiss nicht, ob er das Einreisedatum überhaupt angeschaut hatte. Ich erhielt den Ausreisestempel so problemlos, dass ich schon fast sprachlos war.

Willkommen in Kolumbien.

Von den kolumbianischen Beamten hatten wir gehört, dass sie mit der Aufenthaltsdauer eher geizig umgingen und den Leuten einen Monat zugestehen und, wenn man um drei Monate bittet, man vielleicht zwei erhalte. Nicht so hier, wir erhielten beide anstandslos die gewünschten 90 Tage Aufenthalt in den Stempel gedrückt und und konnten weiterfahren. Hier wird nicht gefragt, ob man allenfalls irgendwelche fiese Esswaren wir Früchte, Gemüse oder Käse einführt, wir wurden auch nicht (wie einmal beim Grenzübertritt von Chile nach Argentinien) nach Drogen durchsucht, das lief alles so reibungslos wie man es sich nur vorstellen kann. Um die Velos nicht unbeaufsichtigt stehen zu lassen, standen wir jeweils einzeln an, während eine bei den Bicis blieb. Schon dort erhielten wir einen Vorgeschmack kolumbianischer Offenheit und wurden von den anwesenden Geldwechslern regelrecht belagert und über unsere Reise ausgefragt.

Nach drei Kilometer Steigung hatten wir Ipiales erreicht, wo wir, trotzt unserer frühen Ankunft, bleiben wollten. Martina übernahm die Hotelsuche, ich hütete die Velos auf der Plaza. Auch hier erregte unsere Anwesenheit viel Aufmerksamkeit und ich konnte mich der Leute kaum erwehren, die sehr an mir und den beiden Bicicletas interessiert waren. Hier sind Gringos offensichtlich bedeutend seltener als in anderen südamerikansichen Ländern und müssen genaustens inspiziert werden. Einer der Herren, die mich umringten, stellte sich als Englischlehrer vor, der immer gerne mit Ausländern redete um sein Englisch zu praktizieren. Er sei auch Mitglied von Couchsurfern und wenn wir wollten, können wir bei ihm in seiner Englischschule schlafen. Martina war von dem Angebot etwas überrumpelt, da sie gerade in einem Hotel zugesagt hatte. Wir nahmen das Angebot aber schliesslich doch an und gingen mit Alvaro zu seinem "English Institute".

Plaza von Ipiales, Kolumbien.

 Bei Alvaro zu Hause trafen wir auch Oliver, einen Deutschen, mit dem wir uns ein Bischen über Reisen und die Welt unterhielten. Von ihm erfuhren wir auch aktuelles über Japan, seit wir Tumbaco verlassen hatten, waren wir diesbezüglich von Information abgeschnitten und zumindest mir war nicht bewusst gewesen, wie ernst die Situation dort war:-(((

Später wanderten wir durch die Stadt, probierten kolumbianische Süssigkeiten und Fruchtsäfte und kehrten abends nochmals zu Alvaros Haus zurück um ihm ein paar Fragen zur Strecke Ipiales-Pasto zu stellen. Er hatte dabei die spontane Idee, mit uns zu einem Mirador oberhalb Las Lajas zu fahren. Las Lajas ist ein Wallfahrtsort mit einer speziellen Kirche, die anscheinend in der Nacht oft beleuchtet ist. In jener Nacht war aber nicht viel zu sehen also kehrten wir unverrichteter Dinge wieder in die Stadt zurück, Martina und ich schon fast schlafend. Wir wollten nur noch ins Bett, um am nächsten Morgen früh aufzustehen für die 84 km bis Pasto.

Nach einem schönen Sternenhimmel in der Nacht war der Himmel am Morgen wieder bewölkt und wir befürchteten schon wieder Regen. Es blieb zu unserer Überraschung jedoch den ganzen Tag trocken. Nach Ipiales führte die Strasse erst einige wenige Kilometer über sanfte Hügel, dann ging's fetzig und lange abwärts durch ein schmales, grünes Tal mit steilen Hängen und vielen Kurven. Zwischendrin  folgten einige leichte Auf und Abs, dann wieder Bajada bis in ein heisses, tropisches Tal, wieder ein paar Hügel und dann ging es auf der anderen Seite des Tals wieder hoch, etwa 25 km pura subida. Da wir hier aber nicht mehr in Ecuador waren, war auch die Steigung einigermassen vernünftig und man konnte normal fahren ohne ausser Atem zu geraten. Hier in Kolumbien waren noch mehr Rennvelofahrer unterwegs als im Norden Ecuadors. Die überholten uns gleich rudelweise, einige pedalten eine Zeit lang neben uns her und wollten alles über uns und unsere Reise wissen. Andere machten Fotos und viele, auch Motorradfahrer, streckten die Daumen im Vorbeifahren hoch. Auch wird hier wieder viel mehr gehupt als in Ecuador und auch Autofahrer winken einem zu.

Überall schwirren Rennvelofahrer herum.

Das ist alles nett und auch motivierend, den Berg hoch muss man aber immer noch aus eigener Kraft. Zum Glück war es etwas bewölkt, es war auch so warm genug. Der starke Gegenwind, der bald aufkam, war nicht wirklich hilfreich. Ist doch seltsam, auf der Südhalbkugel hatten wir schon lange kein Gegenwind mehr gehabt, seit wir uns in der nördlichen Hemisphäre befinden, fast täglich. Was soll das??? Das nervt!!! Es war schon nach Mittag, als die Landschaft plötzlich flacher wurde und ich glaubte, wir hätten die Passhöhe erreicht. Gemäss Profil gibt es, ausser zuoberst, keine flachen Abschnitte, da ist alles eine regelmässige Steigung. Nach der nächsten Kurve stellen wir zu unserem Frust aber fest, dass es da noch ein ganzes Stück den Berg rauf ging, konkret waren das noch etwa sieben weitere Kilometer.

Auf dem Pass gab es dafür einige Restaurants, wo es echt feine Sachen gab. Wir kauften je eine Art Empanada Hawaiiana und irgendein Käsegebäck mit Zuckerguss. Klingt vielleicht seltsam, schmeckt aber genial, wenn auch nicht nach Käse. Danach pura bajada bis Pasto. Wir mussten direkt am Stadion vorbei, wo der Verkehr extrem chaotisch war. Auch in der Stadt selber war die Sache nicht viel ordentlicher, mindestens so schlimm in in Peru. Die Hotelsuche war auch nicht leicht, da die Nummerierung der Strassen für uns nicht ganz logisch ist. Mit Hilfe einer netten Polizeistreife fanden wir dann zwar die gesuchte Adresse, die sich jedoch als eine Taxigarage herausstellte. Oh, vielen Dank Footprint! Die Polizisten brachten uns zu einem anderen Hotel, das aber einiges über unserem Budget rangierte. Nach einigen Verhandlungen kriegten wir ein kleines Zimmer mit Doppelbett, das sonst wohl als Einzelzimmer vermietet wird, zum selben Preis, wie ein Zweierzimmer in einem anderen Hotel gekostet hätte. Hier haben wir aber unser eigenes Bad, im anderen Hotel hätten wir für diesen Preis Baño Compartido gekriegt.

Sonntag, 20. März 2011

Otavalo: Im Bus beklaut

In Otavalo, einer kleineren Stadt etwa drei Busstunden nördlich von Quito findet jeweils Samstags ein grosser Kunsthandwerksmarkt statt. Da wir den sehen wollten, die momentane Planung es aber nicht vorsah, dort an einem Freitag oder Samstag anzukommen, stiegen Martina und ich gestern Nachmittag in einen Bus mit dem Ziel Otavalo. Während der Fahrt geschah nichts aufregendes, wir schauten Filme und das war's denn auch schon. In Otavalo angekommen, fanden wir bald ein günstiges Hostal, wo wir uns einquartierten. Unangenehme Überraschung für Martina, als sie ihr Portemonnaie herausnahm, um zu bezahlen. Ihr gesammtes Geld sowie ihre Kreditkarte waren verschwunden, was blieb waren einige Quittungen und ihre EC-Karte. Wir waren beide ziemlich platt, sie hatte während der Reise ihren Rucksack nie alleine gelassen, im Bus hatte sie ihn zwischen ihren Beinen am Boden stehen. Und doch, das Geld und die Karte waren eindeutig weg. Sie suchte natürlich ihren Rucksack ab, obwohl sie sicher war, dass sich die Sachen in der Brieftasche befunden hatten. In Quito, auf dem Weg von der Busstation zum Terminal Norte, wo die Langstreckenbusse fahren, hatte sie das Taxi bezahlt, da war das Geld noch da. Konkret heisst das, jemand hat es im Bus von Quito nach Otavalo geschafft, ihren Rucksack, der sich ja zwischen ihren Füssen befand, zu öffen, das Portemonnaie herauszunehmen, den Inhalt durchzusehen und die Noten zwischen den Quittungen herauszupicken, die Kreditkarte als potenziell nützlich, die EC-Karte als unnütz zu qualifizieren, und das geleerte Portemonnaie dann wieder zurückzulegen und den Reissverschluss zu schliessen. Wie derjenige das fertiggebracht hatte, ohne dabei gesehen zu werden, ist uns ein absolutes Rätsel. Aber die Tatsache war klar, also führte Martinas erster Weg in Otavalo ins Internet-Café um die Nummer für Kartensperrungen herauszusuchen und anschliessend zu einem Locutorio um die Karte sperren zu lassen. Schlechter Start in der eigentlich hübschen und sympathischen Stadt.

Aussicht von der Terrasse des Hostals Copacabana.

Heute Morgen sind wir relativ früh aufgestanden, da der Markt gemäss Reiseführer um 7 Uhr beginnt und wir uns lieber ohne hunderten anderen Touris umschauten. Es war um diese Zeit ausser uns denn auch kaum jemand unterwegs, ein Grossteil der Verkäufer war gerade mal dabei, ihre Stände aufzustellen und ihre Waren auszulegen. Es gab aber trotzdem schon jede Menge interessante und schöne Sachen zu sehen, von Flöten über alle möglichen Halstücher, Taschen, Tischtücher, Gürtel, Jacken und Pullis aus Alpakawolle, Schmuck, bunte Hosen, wie wir sie schon in Uyuni in Bolivien gesehen hatten und natürlich noch unendliche Dinge mehr.

Bunte Tücher und Taschen.

Und sobald man bei einem Stand stehen blieb und Interesse für irgendetwas zeigte, so stand meistens auch gleich jemand zur Stellt, der einem auf verschiedene Farben, Modelle und Grössen hinwies. Und da es noch früh war, wurde uns meistens auch ein Rabatt für "Primera Venta", das erste Geschäft des Tages, angeboten.

Taschen, Mützen etc.

Nach ein paar Stunden Marktbesichtigung und ein paar Preisverhandlungen tauchten langsam weitere Gringos auf. Da es inzwischen leicht regnete und wir hungrig wurden, verzogen wir uns in ein Café um etwas zu essen. Anschliessend, inzwischen ging es gegen 11 Uhr zu, kehrten wir zum Hostal zurück, holten unsere Sachen und spazierten zum Bus Terminal, wo wir auch gleich ein Bus nach Quito fanden. Die Rückreise war noch ereignisloser als die Hinreise und wir hüteten unsere Rucksäcke diesmal mit mehr Aufmerksamkeit.

Schmuck aus Samen, Samenhülsen und Kokosschalen.

In Otavalo ist mir aufgefallen, dass viele Frauen und Mädchen, jedoch keine Männer, ihre traditionellen Indígena-Trachten trugen, ähnlich denen, die wir schon in Saraguro gesehen hatten. Dort hatte die "Kleider Ordnung" jedoch auch für Männer gegolten. Keine Ahnung, was die Leute in gewissen, meist sehr begrenzen Regionen dazu bringt, sich traditionell zu kleiden, ein paar Kilometer weiter jedoch schon nicht mehr.

Montag, 14. März 2011

Huaira Sinchi, Kraft des Windes

Uff, ich weiss gar nicht recht, wo beginnen mit erzählen. Wohl am besten ganz einfach der Reihe nach. Letzten Freitag holte mich Alfonso in Tumbaco ab und wir fuhren zu Nicolas, wo wir den Rest des Teams trafen um zusammen zum "Registro" zu fahren. Das war so eine Art Anmeldung, wir erhielten Information, das obligatorische Material wurde geprüft, GPS und Funkgerät (für den Notfall) wurden getestet und dann versiegelt. Uns wurde erklärt, wie die Seil-Etape vor sich gehen sollte (Wir würden mit den Kayaks zu einer Brücke kommen, dort die Boote "parkieren" und zu bereithängenden Seilen schwimmen. Dort müssten wir uns in ein Sicherungssystem einklicken und dem Seil nach zur Brücke hochjumarn. Auf der oberen Seite der Brücke würden wir uns abseilen, am Ende zurück in den Fluss fallen und zurück zu den Kayas schwimmen. Netterweise konnten wir jumarn auch kurz üben.)

Equipo Tecniseguros Chevrolet: Alfonso, Nicolas, ich und José.

Um den Mittag hatten wir unseren Registro-Teil beendet und gingen zurück zu Nicolas' Wohnung, unserem Stützpunkt an jenem Tag, um unsere Ausrüstung fertig zu packen und die beiden Camionetas zu beladen. Drei unserer vier "Abastos", Support Staff (wie nennt man das auf Deutsch?) waren schon da und halfen tatkräftig mit. Abends um 17 Uhr fand der "Congresillo Tecnico", ein technisches Meeting, statt, wo die Teams vorgestellt wurden und wir genauere Information zu den Routen und Etapen erhielten. Und natürlich auch die Karten, die uns anschliessend noch lange in Beschlag nahmen. José, unser Navigador, brütete stundenlange darüber, markierte die PCs, die Puntos de Control, sowie die vermutlich optimale Route farbig. Danach verklebten wir die Karten mit Folie. Bis wir ins Bett kamen, war es Mitternacht, um 3 Uhr morgens standen wir wieder auf um rechtzeitig (6.30 Uhr) am Start zu sein.

Obwohl die Jungs wie erwartet natürlich nicht um 3.30 Uhr startbereit waren, kamen wir rechtzeitig an. Zwar verpassten wir die Foto aller Teilnehmer, als es aber so richtig ernst galt, waren alle pünktlich da. Mir selber sind solche Massenstarts extrem suspekt, ich mag es nicht, wenn so viele Ciclistas auf einem Haufen auf schmalen Wegen dahinbrausen. Josés Jalador, einer meiner loyalsten Begleiter während den nächsten drei Tagen, machte die Sache nicht einfacher. Aber ok, ich versuche jetzt mal, meine Erinnerungen zu ordnen und einen einigermassen übersichtlichen Bericht zu erstatten.

Huaira Sinchi, 5.-7. März 2011, La Ruta del Agua, Der Weg des Wassers

Tag 1, Etape 1: Mountainbike, 24.3 km
Wir starteten pünktlich um 6.30 Uhr im Dorf Pintag, wo uns erst mal ein lange Steigung auf einer jener "geliebten" Steinstrassen erwartete. Schon kurz nach dem Start streckte José mit seine Leine hin und es war klar, dass es ab jetzt ernst galt. Gezogen zu werden tönt eigentlich gar nicht so schlecht, ist in Wirklichkeit aber nicht sonderlich angenehm. Klar, man kommt schneller vorwärts, die Kadenz ist aber höher als das, was ich alleine schaffen würde und darum waren meine Beine fast konstant übersäuert oder hart am Limit und schmerzten fast ununterbrochen. Dazu kommt, dass der Abstand zum vorderen Fahrer etwa einen Meter beträgt und ich so allfällige Hindernisse wie Löcher oder grosse Steine nicht wirklich rechtzeitig erkennen konnte. Wo der Weg etwas breiter war, hatten die Jungs die geniale Idee, mich zu zweit zu ziehen. Klar, verstehe ich, so geht's noch schneller und ist weniger anstrengend für den Einzelnen. Blöd nur für mich, die so noch weniger Möglichkeit hatte, Steinen und Löchern auszuweichen, die ich jetzt zwar sehen konnte, aber zwischen den beiden Leinen "gefangen" war. Auch Überholen stellte sich so als nicht ganz einfach heraus. Wenn nämlich José und Alfonso auf je einer Seite eines Velofahrers vorbeiwollten und ich dahinter angeleint war, konnte das unmöglich funktionieren. Zum Glück realisierten die beiden das (nach meinem Stopp-Schrei) gerade noch rechtzeitig.

Wir strampelten also den Hügel hinauf und fast in die Wolken, ob die Landschaft dort interessant gewesen ist, könnte ich nicht sagen (Nebel und keine Zeit zum um mich schauen). Bei einer Abzweigung kamen die ersten Zweifel auf, ob die Richtung stimmt, wir kehrten um und nahmen den Weg nach rechts. Nach einiger Zeit meinte José aber, dass das nicht stimmen könne, also kehrten wir wieder um und nahmen schliesslich den Weg, den wir zuvor eben nicht genommen hatten. Bald wurde es schlammig und mit dem Schlamm war meine Gangschaltung, die schon immer gezickt hatte, wieder zur Sau. In der Tat ist es recht mühsam, wenn es steil bergauf geht und der erste Gang nicht funktioniert. Wir kamen an einen Bach, der überquert werden musste, was aber nicht ganz einfach war, da er sich eine kleine Schlucht gegraben hatte. Es gab so eine Art "Brücke", die glaub' aber eher ein kleiner Aquädukt war und nicht wirklich dazu geeignet, mit dem Velo darüber zu klettern. Also entschieden wir uns, ein paar Meter weiter oben die Velos über den Bach/die Schlucht zu hieven. Das war nicht unbedingt weniger kompliziert, aber für etwas hat man ja starke Männer im Team. Nach dem Bach folgten wir nicht mehr dem Weg, sondern schoben und zogen die Velos diretissima den steilen Hügel hinauf, über Grasbüschel, Steine und sonstige Unebenheiten. Weitere Bäche mussten wir an jenem ersten Tag nicht mehr überqueren, dafür mindestens ein halbes Dutzend Weidezäune, sprich Stacheldrähte. Das war einerseits zwar etwas mühsam, andererseits hat es ein hohes Tempo verhindert, was mich nicht gerade gestört hatte. Dass wir uns nicht auf der korrekten Route befanden, war klar, aber immerhin waren wir nicht die einzigen. Da waren Elite und Aventura-Teams gemischt unterwegs und alle waren gleich ratlos, wo es den langgehen könnte. Irgendwann entschieden sich José und Alfonso, einen anderen Weg zu nehmen als andere Teams vor uns, was sich als richtig herausstellte. Die Bajada in Richtung Zona de Transición war aber zumindest für mich nicht ganz ohne und bei einer Delle im Boden überschlug sich mein Velo, ich flog über den Lenker und landete auf dem Kopf. Das war zum Glück nicht weiter tragisch, die Wiese war weich. Also aufstehen und weiter talwärts "flitzen". Schon bald konnten wir die Autos der Abastos erkennen und wussten, dass wir definitiv richtig waren. Fieserweise mussten wir nochmals über ein hohes Tor klettern, erreichten dann aber schon bald den Kontrollposten 2 und danach unsere Autos, wo wir uns umzogen, Futter und Wasser nachtankten und schon gings weiter, jetzt zu Fuss. (Wie viele Kilometer wir in dieser ersten Etape abgestrampelt hatten, weiss ich nicht, es waren aber definitiv mehr als die geplanten 24 km.)

Tag 1, Etape 2: Trekking, 25.7 km
Die ersten paar Meter des ersten Trekkings führten bergab, schon bald aber verliessen wir den Weg und stiegen einen steilen, buschbewachsenen Hang hinauf. Weiter oben erreichten wir eine Art Ebene, die mit jenem, seit den peruanischen Trekkings bestens bekannten, hohen, dichten Gras bewachsen war, das einem das Vorwärtskommen nicht gerade leicht machte. Dort wurden wir kurz von einem Kontrolleur gestoppt, der die obligatorische Ausrüstung sehen wollte. Auf diesem Trek mussten wir neben Erste Hilfe-Set und Stirnlampen auch einen Schlafsack und ein Bivaksack mittragen. Da das natürlich bedeutend mehr Gewicht bedeutete, könnten gewisse Leute wohl in Versuchung kommen, diese Weisung zu missachten, also wurde das eben kontrolliert.

Viel passierte in den nächsten Stunden nicht, wir wanderten durch Gras- und Buschlandschaft, José und Nicolas voraus, Alfonso wartete netterweise immer wieder auf mich, da ich logischerweise Josés Expresstempo nicht mithalten konnte. Allerdings machte ich schon bald eine äusserst unangenehme Feststellung: mein Wasservorrat war schon fast aufgebraucht! Was, das konnte doch nicht sein, ich hatte Gisela, meinem Abasto, gesagt, bitte ganz auffüllen! Fakt war, ich hatte vielleicht noch einen halben Liter und mich erwarteten noch mehrere Stunden Trekking!! Scheisse, was ist da schiefgelaufen??? Ich hatte doch gesehen, dass Gisela den Camelbak aufgefüllt hatte. Sie hatte dabei den Wassersack jedoch nicht aus dem Rucksack herausgenommen und der Rucksack hat den Wassersack vermutlich so zusammengedrückt, dass er, obwohl er voll aussah, nur wenig Wasser enthielt. Oh Shit, das war ein ernsthaftes Problem. Nicht nur, weil ich gewöhnlich viel trinke, auch weil die Sandwiches, die ich dabei hatte, eher trocken und nur mit genügend Wasser geniessbar waren.

Weiter oben auf jenem Rücken, dem wir seit einiger Zeit gefolgt waren, wartete Alfonso wieder auf mich, da ich in den Büschen sonst bald den Anschluss verloren hätte. Als ich zu ihm aufgeschlossen hatte und wir den Weg suchten, waren José und Nicolas jedoch ausser Sicht und wir wussten nicht, in welche Richtung sie weitergegangen waren. Wir suchten eine Weile und riefen gegen den Wind an, erhielten aber keine Antwort. Alfonso war extrem genervt und ich wunderte mich auch ziemlich. Vor dem Start hatte José mir gegenüber erwähnt, dass es das Wichtigste sei, dass wir immer zusammen blieben. Ja klar, machte Sinn, aber das heisst nun mal, dass er ab und zu auf mich warten musste. Nach einer Weile erfolgloser Suche gingen wir wieder zurück und suchten den Hang in andere Richtungen ab bis wir die beiden superschnellen Typen schliesslich fanden. Alfonso, immer noch einigermassen sauer, schnautze die zwei kurz an, insistierte aber nicht, man will ja dem Teamfrieden nicht gefährden.

Der ursprüngliche Plan, von hier auf eine Ebene abzusteigen und auf der anderen Seite einen steilen Hang wieder hochzuklettern, wurde geändert, da die Ebene extrem sumpfig und der Hang extrem steil aussahen. So suchten wir erst mal einen anderen Weg ins Tal zu einer Lagune, von wo aus wir ein Strässchen sahen, das zwar einen um einiges weiteren, dafür einfacheren Weg auf den nächsten Bergrücken versprach, wo der Kontrollposten Nr. 3 auf uns wartete. Einen Abstieg zur Lagune zu finden war jedoch nicht ganz so leicht wie angenommen. Wir irrten einige Zeit durch ein Wäldchen bis die Jungs schliesslich wieder zur Umkehr bliesen und wir nach einigen weiteren Umwegen doch noch im Tal ankamen. Dort mussten wir durch eine Art Ausläufer der Lagune waten, hatten dann aber den Weg erreicht, wo wir leichter vorwärts kamen. Oben auf dem Rücken trafen wir einen Señor mit Pferd, der meinte, wenn wir dem "Grat" folgten, würden wir bei dem Checkpoint ankommen, es sei aber eine gute Stunde zu Fuss.

Ich fühlte mich inzwischen einigermassen kaputt. Da ich kaum mehr Wasser hatte, ass ich auch fast nichts mehr, was zwischendurch für unangenehme Hungerschübe sorgte. Interessanterweise verging dieses Hungergefühl auch immer wieder und ich war froh, dass die lange Veloreise meine Fettverbrennung offensichtlich gut trainiert hatte. Ab und zu bekam ich von Alfonso ein paar Schlucke Gatorade (nicht zuviel, er brauchte es schliesslich auch), und so konnte ich mich immer in Gang halten. Weiter oben trafen wir zwei Rucksackträger, die anscheinend auf dem Weg zum PC 3 waren, als Ablösung für die dort Stationierten. Noch weiter oben turnte einer des Rescate-Teams herum, einer der Jungs, die für die Sicherheit und allfällige Hilfeleistungen zuständig waren. Und irgendwann, so gegen 18 Uhr, schafften wir es sogar, den Punto de Control zu finden, unseren Pasaporte stempeln und uns den ungefähren weiteren Weg erklären zu lassen. Einige Zeit später trafen wir diverse andere Teams, die ebenfalls recht verloren wirkten, aber immerhin waren sich alle über die ungefähre Richtung, die wir einschlagen mussten, einig.

Schon bald wurde es dunkel und wir montierten die Stirnlampen. Der Regen, der uns seit Stunden mehr oder weniger treu begleitet hatte, schien nun endgültig nachzulassen. Der Boden war aber natürlich noch nass, die Steine schlipfrig und die Dunkelheit machte die Sache auch nicht einfacher. Die anderen Teams verschwanden mit der Zeit wieder, respektive manchmal sahen wir einige Lichter in der Entfernung, dann waren wir wieder alleine. Links, weit unten im Tal sahen wir die orange Beleuchtung diverser Dörfer und Strassen, aber wo genau wir hinmussten, wussten wir nicht. Während José und Alfonso über der Route rätselten, wunderte ich mich über einige weisslich-gelblich-grünlich-rosa glänzende und glitzernde Dinge am Boden, die mich an irgendwelche märchenhaften Wesen erinnerten. Was war das??? Leider hatte ich nie mehr als etwa fünf Sekunden Zeit, die Dinger zu bestaunen, sonst hätte ich bald wieder den Anschluss verloren. Erst einige Zeit später, als wir eine Pause machten und uns setzten, konnte ich die rätselhaften, perlenbesetzten Wesen genauer unter die Lupe nehmen. Die Lösung war recht simpel: Pflanzen, auf denen Regentropfen sassen, die das Licht unserer Stirnlampen reflektierten und darum so hübsch glitzerten. Und denen ich die Regentropfen nun absaugte, das war schliesslich Wasser und das konnte ich im Moment gerade gut gebrauchen. Zu meiner Verwunderung fühlte ich mich inzwischen jedoch nicht mehr sonderlich müde, auch nicht hungrig oder durstig. Ich musste weiter, voraussichtlich noch ein paar Stunden und das mit oder ohne Wasser oder Essen. Zwischendring fühlte sich das Ganze etwas unwirklich an, als ob das gar nicht ich wäre, die da durch die Dunkelheit stolpert. Ziemlich abgespaced, dieses Feeling.

Weiter ging's. Wir trafen wieder diverse andere Gruppen und schlossen uns erst mal zusammen. Weiter unten, während dem steilen Abstieg in eine Quebrada verloren wir die anderen jedoch wieder. Wir landeten in einer dichten Buschlandschaft und kämpften uns einen Weg durch die Arbolitos, die ihr bestes gaben, uns aufzuhalten. Auf mich wirkte die Sache zeitweise wie eine etwas missglückte Pfadi-Nachtübung, aber diese Buschdurchquerung war eigentlich ganz amüsant. Der Weg, auf den wir weiter unten stiessen, war nicht mehr so unterhaltsam. Bei Trockenheit wäre er wohl staubig, nun war er schlammig und wir rutschten und glitten nur so dahin. Auf der anderen Seite des Flusses hatten wir schon länger Lichter umherirren sehen. Irgendwo musste es deshalb eine Möglichkeit geben, zum Fluss zu gelangen und den zu queren. Problematisch dabei war u.a., dass die Wettkampfbestimmungen es strickte verboten, nach 18.30 Uhr im Wasser zu sein. Also mussten wir eine Brücke finden. Wir folgen dem Schlammweg bis uns eine grosse Gruppe Lichter entgegenkam, die von einer Señora mit Leutweste angeführt wurde. Anscheinend hatte die Organisation beschlossen, die Verirrten Schafe zu sammeln und zur Flussquerung zu führen. Wir schlossen uns an und gingen ein Stück zurück bis zu einer "Abzweigung" durch eine Weide, die man auch bei Tageslicht wohl nur mit Glück gefunden hätte. Die "Brücke" war ein Baum, der quer über den Fluss wuchs und über den wir rittlichs rüberrutschen mussten, immer die reissenden Fluten unter uns im Blick. Vor der Querung übersah ich noch einen der unzähligen Stacheldrahte, die hier die Landschaft zieren, die Konsequenz davon ist ein grosser  rechteckiger Riss und ein Loch in meiner loyalen und schweineteuren North Face-Regenjacke. Scheisse!!!

Auf der anderen Seite fanden wir bald den PC 4. Angeblich waren es danach noch ungefähr drei Kilometer bis zum Ziel des Tages bzw. der Nacht, dem Dorf El Tablón. Mit anderen Worten noch drei Kilometer Schlamm, schlammiger am schlammigsten. Solange es nur diesen einen Weg gab, war das ja kein Problem. Die ersten Abzweigungen führten dann aber schon bald wieder zu einigem Hin und Her, mal links runter, dann wieder zurück. Eine junge Dame, die irgendwo in der Dunkelheit in einer Camioneta stationiert war, erklärte uns den Weg nach El Tablón. Wirklich klar war die Route danach aber noch immer nicht, nach einigen weiteren Vueltas schienen wir jedoch den richtigen Sumpf erwischt zu haben. Hofften wir wenigstens. Vom Desafío de los Lagos hatte ich ja gesagt, ich hätte in meinem ganzen Leben nicht so viel Schlamm gesehen wie dort in einem Tag. Nun, dieses erste Huaira-Trekking schlägt jenes Rennen um Längen. Während ich den Dreck damals vielleicht bis zu den Knöcheln hatte, sank ich hier teilweise bis über die Knie ein! Und das ist keine Übertreibung, das war Tatsache!!!

Wenige Minuten nach diesen schlimmsten Dreck-Übungen hatten wir aber das Dorf erreicht, fanden den PC 5 und unsere Abastos, die dort seit etwa 17 Uhr gewartet hatten. Das war die Zeit, die die  Organisation für die schnellsten Teams veranschlagt hatte und die die Jungs unseren Helfern eingeschärft hatten. Jetzt war es etwa 23 Uhr und wir waren das dritte Team, das das Ziel erreicht hatte! Mateo, einer der Abastos, stellte uns einen Eimer mit Wasser hin, in den wir uns mit samt Schuhen reinstellten um uns halbwegs sauber zu kriegen. Wir kriegten warme Suppe, zogen uns um und hörten, dass die Organisation in Erwägung zog, den Start am folgenden Morgen von 5 Uhr auf 9 Uhr zu verschieben. Ok, würde Sinn machen, wir hatten schliesslich noch etwa eineinhalb Stunden Autofahrt bis zum Campamento vor uns. (Auch hier, keine Ahnung, wie viele zusätzliche Kilometer wir da oben im Páramo umhergeirrt waren, es waren aber offensichtlich mehr als programmiert.)

Von der Autofahrt zum Campamento kriegte ich nicht viel mit. Um etwa 3 Uhr Morgens waren die Zelte bereit und wir zügelten im Halbschlaf von den Autos auf die Matten. Gerade um diese Zeit wurde ausgerufen, dass der Start tatsächlich auf 9 Uhr festgelegt worden war. Wunderbar.

Tag 2, Etape 3: Mountainbike, 16.8 km
Wir standen um 7 Uhr auf und hatten genügend Zeit, uns für die nächste Etape bereitzumachen. Mit vier Stunden weniger Zeit konnte logischerweise nicht das gesamte Programm durchgezogen werden. Also strich die Organisation einen Teil der zweiten Veloetape und das zweite Trekking des Tages. Konkret hiess das, mit dem Velo zum Trekkingstart, dort mussten wir vier PCs finden, dann die gleiche Strecke zurück zum Camp. Die Jungs machten auch gleich klar, dass wir den heutigen Tag gewinnen mussten. Ja, perfekt, kein Problem...

Immerhin, das Kiessträsschen war in gutem Zustand, die Hügel teilweise zwar steil aber nicht krass lange und insgesamt hielten sich die Höhenmeter einigermassen in Grenzen. Trotzdem, gezogen wurde ich allemal. Diesmal hatten die Jungs aber die gute Idee, sich nicht wie ein Zweiergespann vor mich zu spannen, sondern in einer Reihe, José zog Alfonso, Alfonso zog mich. Wir befanden uns auch nicht mehr im Páramo, d.h. nicht mehr in extremen Höhen, sondern nur noch plus-minus auf etwa 2'000 müM. Und der "Orientierungslauf" würde in dichtem Wald stattfinden, der die Navigation nicht gerade leicht machen würde. Nach der Kiesstrasse überquerten wir eine Hängebrücke, danach führte die Route einem Singeltrail entlang durch den Wald, über eine weitere Brücke bis zu einem Refugio, wo wir die Velos abstellten und die Schuhe wechselten.

Tag 2, Etape 4: Trekking/Navigation, 13 km
Bei dieser vierten Etape war nicht die Distanz ausschlaggebend, sondern, wie schnell man die PCs finden würde, die einigermassen gut versteckt im Wald warteten. PC Nr. 1 befand sich am Waldrand in einem Flussbett und war nicht so schwierig zu finden. PC Nr. 2 war de facto unauffindbar, also verfolgten wir erst mal die Nr. 3, die wir nach einigem Hin und Her und langem durch den Wald wandern (sehr schön, viele leuchtend rote Blüten und interessante Bäume) schliesslich bei einem beeindruckenden Wasserfall auch fanden. PC Nr. 4 würden wir auf dem Rückweg suchen, also war jetzt wieder die Nr. 2 dran. Bei dieser Orientierungsübung waren wir natürlich nicht alleine. Alle paar Minuten trafen wir andere Teams und wenn die anderen Kategorien angehörten, wurden auch rege Informationen ausgetauscht. Zumindest unter den ecuadorianischen Teams, die sich fast alle gut kannten, funktionierte das problemlos. Es waren auch etliche Elite-Teams schon seit Stunden hier und verzweifelten fast bei der Suche nach dem PC 2. Auch wir klapperten die Wegränder langsam und sorgfältig ab in der Hoffnung, irgendwo ein weiss-oranges Fähnchen zu sehen. Welches Team als erstes den verflixen Posten fand, und wie die das geschafft hatten, weiss wohl niemand. Jedenfalls erhielten wir tatkräftige Hilfe von Freunden von José und Alfonso, die anscheinend selber nicht mehr als Team im Rennen waren, diesen Navigationsteil jedoch zur Unterhaltung noch mitmachten und uns kurzerhand zum PC 2 hinführten.

Auf dem Rückweg folgten wir längere Zeit einem Bachbett, wo wir wieder auf das iStore-Team trafen, den Siegern des Vortages. Wir stempelten unsere Pasaportes beim PC 4 fast gleichzeitig, danach begann eine Jagt zurück zu den Velos und von dort zurück zum Campamento.

Tag 2, Etape 5: Mountainbike, 16.8 km
Da unsere Konkurrenten schneller den richtigen Rückweg gefunden hatten, waren sie vor uns bei den Velos und fuhren etwa eine bis zwei Minuten vor uns los. Auf dem blöden Singeltrail waren sie bestimmt auch schneller als ich, die nach dem Sturz tags zuvor bei einigen Hinternissen recht vorsichtig und langsam war. Wir holten sie jedoch bei einer der Brücken ein, wo sie erst die richtige Treppe finden mussten (weiss nicht genau, was da das Problem war). Danach pedalten wir wieder Kopf an Kopf. Bei der ersten Steigung überholten wir sie, beim nächsten Hügel überholten sie uns. Wir standen alle ziemlich unter Stress, Alfonso schrie mich dauernd an "Monika, !pon plato, pon plato!", was heisst, ich solle in einen höheren Gang schalten und immer dann kam, wenn wir die Kuppe eines Hügels erreicht hatten und ich, noch total ausser Atem und mit übersäuerten Beinen, noch nicht raufgeschaltet hatte um schnell weiterzubrausen. Zum Glück war die Strasse recht fest, ausser am Rand lag da nicht viel loses Kies herum. Ich bin bestimmt noch nie in meinem Leben so schnell eine Kiesstrasse hinuntergefetzt, und dass ich das schneller machte, als die Chica des anderen Teams, hat mich ziemlich überrascht. Aber Alfoso hätte mich vermutlich umgebracht, wenn ich hier die Tussie gespielt hätte. Also hoffte ich auf meinen Schutzengel, raste den Jungs hinterher und dankte dem Schutzengel für die Überstunden als wir heil den Alphalt erreicht hatten. Wenige Minuten später bogen wir wieder ab und kamen gleich darauf als erste beim Camp an. Uff, überlebt.

Die Jungs waren zufrieden und der Wettkampftag zu Ende. Da das zweite Trekking gestrichen worden war, hatten wir nun Zeit, uns (und unsere Schuhe) im Fluss zu waschen und schmerzende Knie ins Wasser zu halten. Später packten wir alles zusammen und fuhren etwa zwei Stunden zum Startort des dritten Tages. Am Abend wurde uns mitgeteilt, dass der Start  von 5 Uhr auf 6 Uhr verschoben wird. Wieso wussten wir zwar nicht, aber eine Stunde mehr Schlaf konnte bestimmt nicht schaden.

Tag 3, Etape 7: Mountainbike, 22.6 km
Morgens um 4.45 Uhr piepte der Wecker. Die Nacht war schwül gewesen, wir befanden uns jetzt im Oriente, sprich im Urwald. Es hatte auch geregnet, wohl um sicherzustellen, dass alle Flüsse Hochwasser führen und alle Wege verschlammt sein würden. Die ersten sieben Kilometer würden über eine miese Schotter-Steinstrasse führen und das natürlich im Schein der Stirnlampen. Netterweise wurden wir um 5.15 Uhr informiert, dass der Start um eine Viertelstunde, also auf 5.45 Uhr, vorverschoben wurde. Diese Ankündigung löste einiges an Hektik aus, alle rannten von hier nach da und versuchten, ihre Sachen extraschnell beisammen zu kriegen. Ich bemerkte im letzten Moment, dass meine Trekkingschuhe nicht im Rucksack steckten, ein anderer Fahrer stand ohne Helm am Start und bekam mitgeteilt, dass er so nicht starten könne.

Und schon ging es wieder los, wieder in einem jener mir verhassten Massenstarts. José hatte angekündigt, dass gewinnen für ihn heute keine Priorität habe, ankommen sei das wichtigste (er musste um Mitternacht einen Flug in die USA erwischen). Diese Ankündigung änderte jedoch relativ wenig am Tempo, das von Beginn weg angeschlagen wurde. In der Halbdunkelheit auf dieser miesen Strasse gezogen zu werden war denn auch nicht sehr amüsant. Da es aber die ganze Zeit auf und ab ging und die Jungs nach jeder Bajada voraus waren, durfte ich mich einige Steigungen alleine raufkämpfen. Das dauert zwar länger, war für mich aber angenehmer. Nach den ersten sieben Kilometer folgte ein Stück auf Asphalt, dann kam wieder Kies, jedoch bedeutend besseres. Wie und wo der Übergang zum Trekking hätte vor sich gehen sollen, habe ich nicht verstanden. Wir kamen bei einem PC an, wo die Pasaportes gestempelt wurden und die Leute aufgeregt fragten, wo wir die Velos zurücklassen sollten. Es wusste jedoch niemand Bescheid und so wurden wir angewiesen, bis zum Fluss weiterzufahren. Ganz so einfach war es jedoch nicht, den richtigen Weg zu finden, nach dem üblichen Hin und Zurück fanden aber auch wir den Ort.

Tag 3, Etape 8: Trekking, 14.4 km
Wegen des Hochwassers war jedoch nicht klar, ob der Fluss offen sei, d.h. ob wir hier drübergelassen würden. Nach einigen heftigen Diskussionen und hektischen Forderungen nach "Tiempo Muerto" wurde die Stoppuhr angehalten und wir setzten uns erst mal und warteten ab. Die Vorstellung, durch diese braune Brühe zu schwimmen, fand ich nicht wirklich witzig, andererseits, wenn das der Weg ist, kann man ja wohl kaum den Schwanz einziehen. Bald tauchte einer der Sicherheitsverantwortlichen auf und funkte mit was-weiss-ich-wem und diskutierte die Situation. Schliesslich wurde entschieden, den Fluss freizugeben. Anscheinend gab es weiter unten ein Sicherheitsseil um jene abzufangen, die es nicht bis zum geplanten Landeplatz über den Fluss schafften. Wir montierten also unsere Schwimmwesten und steckten alles andere in die Drybags und verschlossen die Rucksäcke sorgfältig. Dann wurden wir in der Reihenfolge, in der wir beim letzten Kontrollposten angekommen waren, in den Fluss geschickt, mit der Anweisung, flussaufwärts zu schwimmen. Leicht gesagt, die Strömung war stark, ich war noch nie mit Weste, Rucksack und Schuhe geschwommen und sah bald, dass ich es vermutlich nicht bis zum Landeplatz schaffen würde. Alfonso sah das auch so und wies mich an, mich an seinem Rucksack festzuhalten. Was ich natürlich auch tat, mit nur einem Arm zu schwimmen, half aber auch nicht viel. Also liess ich bald wieder los und José fing mich weiter unten ab und half mir aus dem Wasser. Wrrrrr, zitter, bibber, so was kann einem ganz schön die Kraft absaugen (das Wasser war warm, daran lag es nicht).

Jetzt befanden wir uns entgültig im Regenwald. Hier solle es jede Menge Chaquiñanes, kleine Pfade, in alle möglichen Richtungen geben, wir sollen also immer die Richtung gemäss Kompass beibehalten. Wir schlossen uns von Beginn weg mit unserer Konkurrenz, dem iStore-Team, zusammen und blieben während des gesamten Trekkings beieinander. Die Landschaft war echt beeindruckend, riesige, uralte Bäume, schöne Blumen und Schmetterlinge, wie schon am Vortag aber leider aber keine Zeit, das alles angemessen zu würdigen. Es ging meistens auf und ab, kurz und steil, oder schön flach einem Bachbett entlang. Ab und zu kamen wir bei ein paar Häusern vorbei, wo die Leute, und vor allem die Kinder, uns anstarrten, als seien wir Aliens. Bei einem Haus erhielten wir tatkräftige Hilfe eines Señors, der uns kurzerhand führen wollte. Das war noch interessant, er, anscheinend betrunken und in Gummistiefeln, kletterte den supersteilen, rutschigen Pfad schneller und sicherer hinab, als wir alle fit-trainierten Leute in fancy Trekkingschuhen. Nach einigem Hin und Her wegen Unklarheiten, wo wir eigentlich hinwollten, brachte er uns tatsächlich zum gesuchten PC 17, wo wir von einer Schar Indígenas mit schwarz bemalten Gesichtern und einem interessanten Getränk empfangen wurden.

Schon ging es aber weiter, diesmal in Richtung eines grossen Flusses, in dem wir uns für zwei Kilometer treiben lassen mussten. Das brauchte erst etwas Überwindung und Übung im Auslotsen der Tiefe um  nicht mit Knien oder dem Hintern in Steine zu prallen, machte dann aber super Spass. Zwischendrinn musste man wieder die stärkste Strömung suchen oder teilweise, wo das Wasser sehr flach war, waten, was eher mühsam war. Insgesamt fand ich diese Treib-Übung aber entspannend und unterhaltsam.  Zwei oder drei Mal gabelte sich der Fluss und wir musten sicherstellen, dass wir uns den richtigen Arm hinabtreiben liessen. Den zu finden war kein Problem, da stand immer jemand mit Fähnli, aber wir mussten immer noch die Abzweigung erwischen. Anscheinend hatten aber nicht alle denselben Spass an der Sache wie ich, einige frohren nach so langer Zeit im Wasser sogar. Plötzlich schwamm da etwas blaues an uns vorbei, was sich als Nicolas' Sonnenschutz erwies. Offenbar war sein Rucksack nicht richtig verschlossen und einige Dinge machten sich selbstständig. Einer unserer freundlichen Konkurrenten half ihm jedoch sicherzustellen, dass sein Drybag und damit unser Pasaporte noch da war und schloss den Reisverschluss, der einer von uns nicht richtig zugemacht hatte.

Schon allzubald war der Spass vorbei und wir wurden wieder aus dem Wasser gewunken. Jetzt hiess es wieder marschieren, immer hügelauf-hügelab, auf flachen Strecken wurde jetzt auch gejoggt. Plötzlich standen wir wieder vor einem Fluss und es hiess wieder, Schwimmwesten anziehen und sich in die braunen Fluten werfen. Auf der anderen Seite warteten viele Zuschauer, all die Abastos waren dort versammelt und warteten auf ihre Teams. Auch in diesem Fluss war die Strömung stark und es war bald abzusehen, dass ich "die Kurve" nicht kriegen würde. Verzweifelt schrie ich zu meinen Jungs, dass ich es nicht schaffen würde und was ich tun soll. Es sah nämlich nicht so aus, als gäbe es hier so etwas wie ein Rettungsseil oder sonstige Einrichtung, die abgetriebene SchwimmerInnen retten könnte. Schliesslich rief mir jemand zu, ich solle abstehen, was auch ganz knapp klappte. So konnte ich in letzter Minute ein Abgetriebenwerden verhindern und auch diesmal zog José mich aus dem Fluss.

Tag 3, Etape 9: Mountainbike, ungefähr 20 km
Zum zweiten Mal an diesem Tag sass mir der Schreck noch in den Knochen als ich schon wieder Gas geben musste. Wir wurden informiert, dass die Kayak und Seil-Etape wegen des Hochwassers abgesagt und durch eine letzte Mountainbike-Strecke ersetzt worden sei. Unsere Velo-Ausrüstung lag auch schon wieder bereit und Pause gab es nicht die geringste. Mit weichen Knien und noch geschockt von der blöden Flussquerung und der Ankündigung, nochmals aufs Velo zu müssen, saugte ich das von Nicolas verordnete Gel ein und versuchte vergeblich, die Schuhe im Eiltempo der Jungs zu wechseln. Gisela musste mir sogar in die Velo-Handschuhe helfen, die waren noch feucht, klebten an meinen Händen und waren auch sonst überhaupt nicht kooperativ. Und los ging's wieder los, hop hop, oder auf Castellano "¡dale, dale!", erst wieder über diverse Hügel auf einer zum Glück nicht allzuschlechten Kiesstrasse. Anschliessend folgte ein längeres Stück auf Asphalt, meist flach, teilweise mit leichten Steigungen oder Gefälle. Um mich auch ja nicht abreissen zu lassen, war ich fast immer bei Alfonso angeleint. Wir wurden von einem anderen Team eingeholt, zu meiner Erleichterung war das jedoch ein reines Männerteam, also keine direkte Konkurrenz. Wir liessen sie überholen, hängten uns aber gleich an. Ich wunderte mich schon länger, wo den das iStore-Team, unsere Begleiter während dem Trekking blieb. Schon war der Asphalt wieder zu Ende und die Kies-Sandstrasse war nass und ich bekam sämtlichen Dreck von Alfonsos Hinterrad direkt ins Gesicht geschleudert. In der Eile in der Zona de Transición war keine Zeit geblieben, die Brille aufzusetzen, so fuhr ich zwischenzeitlich fast blind weil ich Sand in den Augen hatte. Wir erreichten die Brücke, wo die Seil-Übung geplant gewesen wäre, flitzten durch, bogen wieder ab und bretterten weiter und weiter. Irgendwann wurden wir von einer Camioneta eingeholt, die sich jedoch immer schön brav hinter uns hielt, obwohl wir Platz machten. Wieso, was war den los? Nach ein paar Minuten stoppten sie uns und informierten uns, dass sie eine Art mobiler Kontrollposten waren und den PC auf der Brücke ersetzten (zumindest war das das, was ich verstanden habe). Inzwischen überholte uns das Männerteam wieder und war schon bald ausser Sicht. Kurz darauf kamen wir zu einer Abzweigung, wo wir nicht sicher waren, ob das der Weg zu Campococha, dem Ziel, war. Da unsere mobilen PC-Freunde immer noch in der Nähe waren, fragten wir kurzerhand nach, hielten die Bestätigung und bogen ab. Wir durchquerten einen Bach und sahen ein paar hundert Meter weiter vorne das Ziel. Auf den letzten paar Metern blieb ich fast in der nassen Wiese stecken, dann jedoch hatten wir es geschafft, wir hatten als erstes Team überhaupt das Ziel des HuairaSinchi erreicht!!!

Ich konnte es erst mal kaum glauben, das Rennen war tatsächlich vorbei, überlebt, vorüber. Wir wussten, dass wir das Gesamtrennen nicht gewonnen hatten, dafür hatten wir am ersten Tag zuviel Zeit auf das erste Team verloren, die wir nicht wieder gutmachen konnten, aber wir waren die Tagessieger vom zweiten und dritten Tag. Was folgte war das, was man sonst im Fernsehen sieht. Umarmungen, Fotos, aufs Podest und mit Champagner herumspritzen (brennt mega in den Augen). Ein paar Minuten nach uns kam auch das andere Team an, das uns zwar überholt, aber offensichtlich die Abzweigung verpasst hatte. Während für dieses Team die ganze Show von vorne begann, suchten wir unsere Abastos, die aber noch nicht angekommen waren. Da die Autos die gleiche Strecke wie die Wettkämpfer nehmen mussten, liess die Organisation jeweils nur wenige Autos aufs Mal durch. Bald kamen aber auch unsere Freunde an und mit ihnen die Möglichkeit, sich zu waschen und umzusiehen. Ich fühlte mich komisch. Die letzten drei Tage waren so angefüllt gewesen mit Anspannung, Emotionen und Sorgen, nicht zu reden von den Wochen davor, die noch schlimmer gewesen waren. Jetzt war alles vorbei, was blieb war erst mal ein fieser Schmerz im Knie, aber sonst war eigentlich alles ok. Klar war ich müde, aber nicht wie erwartet total erschlagen (das sollte später noch kommen). Obwohl ich unterwegs nicht viel gegessen hatte, war ich nicht einmal sonderlich hungrig. Wir schauten zu, wie andere Teams, u.a. iStore, die Sieger in unserer Kategorie, ankamen und machten uns bereit, heimzufahren, José wollte schliesslich seinen Flug nicht verpassen. Mateo und Nico, zwei unserer Abastos, äusserten den Wunsch, noch etwas zu bleiben und den Elite zuzuschauen, so blieben auch Nicolas und ich, die anderen fuhren zurück nach Quito.

Wir vier machten uns auf den Weg zurück zur Brücke. Das Kayak und die Seil-Übung waren nur dern Aventura-Kategorien gestrichen worden, die Elite würden diese Etapen absolvieren und das versprach interessant zu werden. Wir mussten etwa 10-15 Minuten warten, dann kam auch schon das führende Team, die schwedischen Thule, angepadelt. Was offensichtlich geändert worden war, war dass sie nicht von den Kayaks aus zu den Seilen schwimmen mussten, sondern am Ufer anlegen, zu Fuss auf die Brücke kommen, erst abseilen und dann wieder auf die Brücke hochjumarn. Was bei den Erklärungen anlässlich des Registros am Freitag relativ leicht getönt hatte, erwies sich in Realität als extrem anspruchsvoll. Mit einer Hand das Seil packen, sich mit der anderen ins Sicherungssystem einklicken und dann dem Seil nach hochsteigen war offensichtlich schwierig und anstrengend, vor allem für die Frauen. In fast jedem Team, dem wir zuschauten, brauchten die Chicas mehr oder weniger Unterstützung der Männer, teilweise hiengen sie eine gefühlte Ewigkeit am Seil ohne vorwärts zu kommen. Die Thules meisterten die Sache noch relativ souverän, andere hatten erheblich mehr Schwierigkeiten. Ich war erst enttäuscht gewesen, dass uns dieser Teil gestrichen worden war, nachdem ich aber den Elite zugeschaut hatte, musste ich zugeben, dass ich froh war, hier nicht nochmals ins Wasser geschickt worden zu sein.

Wir hatten uns gerade entschlossen, nach Hause zu fahren, als Team Ecuador angepaddelt kam. Natürlich blieben wir noch um den Nationalhelden beim Abseilen und Heraufjumarn zuzuschauen. Santiago Miño und seine Männer wirkten vom Ganzen nicht sehr beeindruckt, die Australierin im Team jedoch schien am Ende ihrer Kräfte zu sein. Einer der Jungs blieb lange bei ihr und half ihr so gut als möglich das Seil hoch, was mir jedoch äusserst negativ auffiel, war, dass jene, die auf der Brücke angekommen waren, nicht auf die anderen Teammitglieder warteten. Sämtliche anderen Teams, die ich gesehen hatten, hatten aufeinander gewartet und die Brücke gemeinsam verlassen. Nicht so Team Ecuador. Der erste Typ kam an und spazierte ab, so der Zweite und ebenfalls der Dritte. Und schliesslich die Frau des Teams, die etwas verlassen wirkte und ebenfalls alleine zu den Kayaks zurückmarschierte. Auch wenn ein Wettkampf nicht wunschgemäss läuft und die Frau evtl. nicht so stark wie erwartet war, für mich ist solches Verhalten unsportlich und unsozial und weg war meine Bewunderung für dieses angeblich so professionelle Team Ecuador. Da wundert man sich auch nicht mehr, dass diese drei keine Frau finden, die sich für längere Zeit ins Team integrieren will/kann.

Am Dienstagabend fand dann die Rangverkündigung und Preisverteilung statt. Wir waren nicht ganz sicher, ob wir zweite oder dritte geworden waren und wurden von längerem Blabla, vielen Fotos und dem offiziellen HuairaSinchi 2011-Film noch etwas auf die Folter gespannt. Die Freude war aber gross, als wir erfuhren, dass wir tatsächlich zweite waren. Wir erhielten hübsche, handgemachte Trophäen mit dem Huaira-Logo,  fancy Sonnenbrillen, einen Check über USD 600 für Explorer, einen Outdoor Laden in Quito und ich als Frau des Teams ein HuairaSinchi-Armband. Nicht schlecht, ab besten gefällt mir aber die hölzerne Trophäe, die ist echt edel.


Ich muss mal nachfragen, ob jemand von unseren Abastos allenfall ein paar Fotos gemacht hat. Ich hatte meine Kamera zwar dabei in der Absicht, in den Camps zu föteln, kam aber nicht dazu, bzw. habe schlicht nicht daran gedacht. Für weitere Fotos verweise ich auf die Huaira-Site, in der Hoffnung, dass die bald wieder normal funktioniert.

Anscheinend hat jemand vom drittplatzierten Team Einspruch erhoben und die Organisation hat irgendwelche Zeiten neu berechnet und ist zum Schluss gekommen, dass wir in Wirklichkeit Dritte sind (es wurde das Trekking des zweiten Tages gestrichen weil einer der PCs falsch platziert gewesen war). Und da es anscheinend auch Einsprüche gegen diese Änderung gegeben hat, weiss ich nicht, was jetzt die offizielle Version ist und auf welchem Platz wir schlussendlich gelandet sind. Während es für mich persönlich nicht so wichtig ist, finde ich es schon nicht ganz fair, nach der Rangverkündigung noch solche Entscheidungen zu treffen, zumal ja alle Teams die gleichen Voraussetzungen hatten und den blöden, fehlplatzierten Posten finden mussten.

Aber was soll's. Inzwischen sind die Kratzer verheilt, die blauen Flecken werden langsam gelblich und das Knie schmerzt kaum mehr. Morgen kommt Martina, vom Tsunami unbeschadet, von den Galapagos zurück und unserer baldigen Weiterreise in Richtung Kolumbien steht nichts mehr im Weg.

Freitag, 4. März 2011

Vorbereitungen u.a.

Nun ja, es bleibt nur noch wenig Zeit bis zum Start des Huaira Sinchi. Sehr viel trainiert wurde in letzter Zeit nicht mehr, dafür bleiben noch einige organisatorischen Dinge zu erledigen und die Ausrüstung bereit zu stellen. Bin inzwischen ziemlich nervös und hoffe, dass das alles auch gut kommt. Was mich z.B. etwas verunsichert, ist die Tatsache, dass wir kein einziges Training mit dem gesamten Team absolviert haben, es hat immer jemand gefehlt. Auch die Sache mit dem "José wird Dich ziehen" wäre bestimmt übenswert gewesen, ausser einem kurzen Rumgekurve in Nicolas' Tiefgarage gestern Abend hat das aber nicht geklappt. Teilweise waren diese "Trainingsabsenzen" arbeitsbedingt, worüber man sich ja nicht beklagen kann. Mehrheitlich wurden die aber anscheinend von zickigen Ehefrauen verursacht, die nicht wollten, dass ihre Männer jeweils Samstags und Sonntags unterwegs waren. Ich muss zugeben, ich bin von solchem Verhalten etwas überfordert. Wenn man nicht bereit ist, all diese trainingsbedingen Abwesenheiten zu akzeptieren, wieso sagt frau das nicht, bevor die Männer ein Team bilden und sich für den Wettkampf anmelden??? Es ist ja nicht so, als wüssten diese Señoras nicht, auf was sich ihre Esposos mit der Anmeldung einlassen. Speziell Josés Frau, die bis anhin selber am Huaira teilgenommen hat, kann sich doch jetzt nicht aufregen und ihren Mann ein paar Wochen vor dem Rennen für ich weiss nicht wie lange auf die Galapagos entführen...??? (Doch, sie kann.)

Immerhin, gute Neuigkeiten für meine mentale Vorbereitung. Letztes Wochenende wurde unser Wettkampfplan publiziert, so kann ich mir langsam ein Bild von dem machen, was mich hier erwartet. Das natürlich, ohne zu wissen, wieviele Höhenmeter hinter den jeweiligen Distanzen versteckt sind.


Interessant für das Publikum, auf der Website des Huaira Sinchi wird die jeweils aktualisierte Rangliste ersichtlich sein. Unter "Recados, Messages" kann man den Teams Mitteilungen schicken (wir sind Team 29 Tecniseguros - Chevrolet).

Inzwischen müssen auch andere Dinge erledigt werden, die ich jetzt seit Wochen verhängt habe, wie z.B. einen Check beim Zahnarzt. Da zu Hause immer alles ok war,  war das diesmal einigermassen ein Schock, und wird eher teure Folgen haben (da auch einige alte Füllungen ersetzt werden müssen).

Auch eher mühsam war die beabsichtigte Visumsverlängerung, da mein legaler Aufenthalt in Ecuador am 6. März abläuft. Wir hatten das erst im Internet abgecheckt, wo einige Quellen übereinstimmend meinten, es sei nicht möglich, das Visum vor dem Tag, an dem es abläuft, zu verlängern. Darum sind wir (Scott und ich) erst diese Woche zur Migración gegangen. Am Montag Nachmittag mussten wir aber gänzlich unverrichteter Dinge wieder abziehen, da das entsprechende Büro (Ministerio de Migración, Av. 10 de Agosto und Carion) nur von 9-12 Uhr geöffnet ist. Am Dienstag Morgen waren wir kurz nach 9 Uhr da und fast der ganze Wartesaal war schon voll. Wir wurden angewiesen, Platz zu nehmen, es würden bald weitere Nümerlis verteilt. Dem war nach einiger Zeit tatsächlich so, wir zogen die Nr. 91 und freuten uns, nun quasi im System erfasst zu sein. Zu unserem Ärger mussten wir dann aber fast eineinhalb Stunden warten, während all die Leute, die gleichzeitig Nummern erhalten hatten, längst wieder verschwunden waren und jede Menge Leute, die nach uns gekommen waren, auch vor uns drankamen. So richtig der Reihe nach wurden die Nummern jedenfalls nicht ausgerufen. Aber irgendwann hörten wir den Señor unsere 91 erwähnen und wahren froh, dass wir nicht vergessen worden sind. Die Information, die wir kurz darauf erhielten, war aber einigermassen schockierend. ¡Das 3-Monats-Turistenvisum kann nicht verlängert werden! Es gäbe hier die Möglichkeit, eine Art Geschäftsvisum zu beantragen, was aber relativ kompliziert ist und USD 230 kostet (so funktionierts). Shit, that was bad news! Vor allem für Scott, der nicht die geringste Lust hatte, so viel Geld auszugeben um ein paar Tage länger im Land bleiben zu können. Ich hätte das ja bezahlt gekriegt, war aber auch nicht sehr motiviert, gross Briefe zu schreiben, Formulare auszufüllen und Kontoauszüge zu organisieren. Der nette Señor machte uns aber darauf aufmerksam, dass es keine Bussen für zu langes Im-Land-bleiben mehr gibt. Die einzige Konsequenz wäre, dass man innerhalb eines Jahres nicht mehr mit dem normalen Turi-Visum einreisen könnte, sondern in einer ecuadoriansichen Botschaft ausserhalb des Landes das erwähnte Visum für 230 Doller beantragen müsste. Ok, das würde wohl die Lösung sein.

Da ich nach gewissen Erfahrungen in Peru diesen Angaben nicht zu 100% traute, fragte ich bei Nicolas nach. Er arbeitet in einem grossen Tourismus-Unternehmen, wo es auch Leute geben soll, die sich mit solchen Dingen auskennen. Ich rief also jenen Señor an, der angeblich der Visums-Experte des Hauses ist, und er versicherte mir, dass ich eine Busse von USD 200 bezahlen müsste, sollte ich zu lange im Land bleiben. Santiago, der dies nicht glaubte (er hat schon vor diversen Leuten gehört, dass es diese Bussen nicht mehr gibt), fragte bei einer Anwältin in der Familie nach, die ebenfalls meinte, dass die Busse abgeschafft worden sei. ¿¿¿Ja, was nun??? Gestern Abend, anlässlich eines Team-Meetings bei Nicolas, wo wir die Ausrüstung checkten, erwähnte ich mein Problem nochmals. Nicolas rief (um ca. 21.30 Uhr) kurzerhand jenen Mitarbeiter an, der immer noch der Meinung war, es gäbe die Busse. Ich erwähnte, dass mir bei der Migración versichert wurde, dass dies nicht mehr der Fall war. Kurz darauf rief der Herr zurück, und bestätigte meine Version. Er hatte eben kurz den Chef des Ministerios de Migración angerufen! Na also, geht doch. Meine Visums-Sorgen sind damit aus der Welt, Scott, der selber kaum Spanisch spricht, fühlt sich damit aber nicht so sicher. Falls der Grenzbeamte die Situation anders einschätzen sollte, könnte er sich nicht wirklich effizient wehren. Also wird er morgen Freitag abreisen (sniff!) um wenn möglich noch innerhalb seiner legalen Zeit Peru zu erreichen.

Das Programm für morgen heisst für mich also: Alles fertig packen, sich von Scott zu verabschieden, hoffen dass Alfonso mich pünktlich abholen kommt. Dann um 9 Uhr muss sich unser Team registrieren gehen, anschliessend werden wir die Autos mit unserer Ausrüstung bereitmachen, abends von 17-21 Uhr findet der Congresillo Tecnico, eine Art technisches Meeting, statt, wo wir die Karten und weitere Informationen zum Lauf erhalten werden. Der Start ist auf Samstag Morgen 6.30 Uhr geplant, wir müssen zwei Stunden vorher dort sein und natürlich erst von Quito aus zum bis jetzt noch unbekannten Startort fahren. Viel Zeit für Schlaf wird da nicht bleiben, was von der Organisation so beabsichtigt zu sein scheint, wohl um die Schwierigkeit noch etwas zu erhöhen. Bitte drückt mir die Daumen für Samstag, Sonntag und Montag...