Donnerstag, 8. November 2012

Barcelona - Montpellier: En France, rien ne va plus!


Eines schönen Samstag Morgens haben wir unsere Bicis wieder beladen. Persönlich von Marsel verabschieden konnten wir uns nicht, da unser Host in Abwesenheit seiner Familie gerne lange ausschläft. Marsel, thanks a lot for the comfy sofas and the warm showers we could enjoy in your house. Abends zuvor hatte er uns beschrieben, wie man am besten aus der Stadt herauskam und schwierig war das in der Tat nicht. Wir mussten ans Meer, und das war von seinem Haus aus nicht weit, und an der Küste entlang verlief ein Veloweg. Nicht immer alle Abzweigungen waren für Ortsunkundige Ciclistas offensichtlich, im Grossen und Ganzen war es jedoch nicht allzu kompliziert. Vorerst zumindest. Als wir da am Strand entlang fuhren, zusammen mit Horden von Joggern und schneidig gekleideten Wochenend-Rennvelofahrern kam ziemliches California-Feeling auf. Dort hatte es ähnlich ausgesehen, ähnliche Leute waren unterwegs gewesen und es war sogar ähnlich warm gewesen. Was hier in Spanien fehlte, waren die recht zahlreichen öffentlichen Klos der kalifornischen Strände. Dafür gab es immer mal wieder Kinderspielplätze und auch Beach Volley-Felder sahen wir. Je weiter wir von Barcelona wegkamen, desto mehr unklare Abzweigungen, Unterbrechungen und Abschnitte auf der Strasse mussten wir finden oder erraten. Dazu hatten wir aber leichten Rückenwind und somit waren wir glücklich und happy.

Einsames Klettergerüst am Strand.

Das zumindest, bis der Strandweg eindeutig nicht mehr weiterging und wir wieder auf die Strasse mussten. Und zwar auf die N II. Wie üblich in solchen Fällen folgten wir dem Wegweiser, auf dem rot N II geschrieben stand. Was uns fadengerade auf die Autopista gebracht hätte, die, aus irgend einem Grund die N II geschluckt zu haben schien. Oder so. Da auf der Karte aber eine Strasse der Küste nach eingezeichnet war (die mit N II beschriftet war), fragten wir in einem Veloladen nach. Dort kriegten wir auch prompt die Wegbeschreibung zu jender N II an der Küste, von der wir zuvor deppischerweise abgebogen waren. Auch bekamen wir die Anweisung, auf dem Seitenstreifen zu fahren, und zwar immer schön hintereinander, nicht nebeneinander. Und mit 1.5 m Abstand für den Fall, dass die Vordere bremsen müsse. Mhm, mhm, werden wir brav so machen. Als wir ihm auf der Karte die weitere geplante Strecke zeigte, meinte der junge Mann, dass jene Strasse gefährlich sei, weil eng und kurvig und mit viel Verkehr. Dort müssen wir auf Kiesstrassen ausweichen und in Städten bleiben. In den Städten bleiben??? Aber ok, wir werden ja sehen.

Nach einem weiteren Mal nachfragen, diesmal bei einem Bullen, hatten wir unsere N II bald gefunden und von nun an ging es zügig vorwärts. Wir befanden uns zwar nicht mehr in Barcelona, ähnlich wie im Grossraum LA änderte das aber nichts daran, dass wir uns konstant in dicht besiedeltem Gebiet befanden, mit entsprechend viel Verkehr, aber nicht immer mit Seitenstreifen. Ein Bahnhof bot sich an, dort Mittagspause zu machen, danach ging es, weiterhin eher ereignislos, weiter in Richtung Norden. Dass es in so einer Region nicht einfach werden würde, ein wildes Camp zu finden, war klar. Dazu war wie gesagt Samstag, und wir befanden uns in einer sehr touristischen Region. Wohl die schlechtest mögliche Kombination. In Blanes beratschlagten wir uns diesbezüglich und einigten uns dann darauf, in Lloret del Mar nach einem Campingplatz zu suchen. Ein grösserer Ort hat da wohl die grössere Auswahl.

Costa Brava zum 1.

In Lloret fanden wir ein Touri-Büro, wo uns ein sehr netter Herr mitteilte, dass Llorets sämtliche Zeltplätze Mitte Oktober schliessen. In Blanes seien einige das ganze Jahr über offen. Super, das hatten wir ja wieder einmal perfekt geplant. Was denn die günstigste Unterkunft wohl koste. Er machte ein Telefonat und hatte schnell eine Antwort: 35.-. Euros natürlich. Er rief für uns auch einen CG in Tossa an, der nächste Stadt. Dort gäbe es Zeltmöglichkeiten, die aber 24 Euro kosteten, 8/Person + 8/Zelt. Wir hatten also die Wahl zwischen der Pension in Lloret für 35.- und einem Camingplatz in Tossa für 24.- inkl. 12 km langem Auf und ab, und das nach fast 80 km in den Beinen. Der Preis für die Pension erschien uns einigermassen angemessen, der für den CG völlig überrissen. Also liessen wir uns den Weg zur Pensiò El Amigo erklären und hatten dort bald darauf unser Zimmer bezogen (79.99 km in 4:58 Stunden). Bereuen taten wir es nicht, die Dusche war wunderprächtig und die Betten mega bequem. Wir durften sogar inoffiziell auf dem Balkon kochen, was das eh schon arg strapazierte Budget etwas entlastete.

Und weiter ging es, an einem gemütlich-warmen Morgen mit zu Beginn wenig Verkehr. Wir wussten, dass uns gute 30 km Auf und Ab bevorstanden, die aber zumindest landschaftlich interessanter sein sollten als der Tag zuvor. Dem war denn auch so, und wir sahen kurz vor Tossa auf dem Hügel sogar durchaus mögliche wilde Camp Spots. Aber das hatte man ja nicht ahnen können. So flitzten wir eben in die Stadt hinunter und kletterten auf der anderen Seite wieder in Hügel hinauf. Nach Tossa wurde es noch kurviger und z.T. auch steiler. Und nun waren auch alle anderen wach, Autos und Motorräder bis zum Abwinken. So krass gefährlich, wie jener Typ im Veloladen gemeint hatte, war es aber bei weitem nicht (Kiesstrassen zum ausweichen hätte es eh nicht gegeben). V.a. die Autos waren meist sehr rücksichtsvoll, was eigentlich fast überrascht bei der Menge Velofahrern, die da unterwegs sind. Und das nicht immer in schönen Einerreihen, sondern schon auch mal zu zweit nebeneinander oder gar als Pulk. So ging es dann weiter, immer auf und ab und auf und ab. Da gab es auch kleinere Dörfer mit öfters recht chiquen Häusern, wo wohl diejenigen wohnen, die mehr Geld haben als andere. Aber die Küstenlinie der Costa Brava ist eben schon recht cool, das muss man ihr lassen.

Costa Brava zum 2.
Costa Brava zum 3.

Die letzte grössere Stadt, Sant Feliu de Guíxols, lag natürlich auch unten am Meer, die Abfahrt dahin war aber so kurvig, dass sie nicht mehr sonderlich rasant war. Im Ort war Markt und damit alles inkl. Strassen verstopft und zu allem Übel begann es auch noch zu regnen. Sonderlich ernst sah das aber nicht aus, so stellten wir uns eben rasch unter. Nach einigen Minuten war die Luft wieder trockener und wir wieder auf der Strasse. Sehr zum Leidwesen aller anderen Verkehrsteilnehmer, denen wir nämlich den Weg versperrten. Die Strasse war so schmal, dass da ein Überholen unmöglich war, und so steil, dass wir nur ganz langsam dahin schlichen. Irgendwann riss bei einem Töfffahrer der Geduldsfaden und er blochte mit heulendem Motor an den Autos und dann uns vorbei, schliggerte kurz auf der nassen Strasse und war dann verschwunden. Ja, sorry, Kolleg, aber was sölled mir denn mache??

So lange war die Steigung nämlich nicht gewesen und schon ging es wieder hinunter nach Platja d’Aro und flach weiter nach Antonio de Calonge. Dort machten wir vor dem Touri-Büro Mittagspause und nahmen dann eine sehr verkehrsarme aber schöne Strasse über einen Hügelzug nach La Bispal d’Empordà. Nach einem ganz kurzen Gastspiel auf einer grossen Hauptstrasse bogen wir wieder in ruhigere Gefielde ab, und dazu nun mit Rückenwind, der uns nur so über die Felder blies. Ziemlich zügig ging es nun weiter durch Parlavà und nach Ultramort. Wie bitte? Sind die dort etwa ultra tot? Äusserst schräger Name. In Verges wollten wir Wasser laden, stellten aber fest, dass der Brunnen trocken war. Soweit ist das in Spanien nichts Seltenes, auf Knopfdruck kommt in der Regel aber Wasser. Hier nicht. Hmm, blöd, sowas. An einer Hauswand entdeckte ich aber eine Art Freiluft-Wasserleitung. Sah ziemlich provisorisch aus, vermutlich wurde da wegen einer Baustelle die Leitung gekapt. Gut für uns, wir konnten diese Leitung anzapfen und hatten ein Problem des Abends gelöst.

Blieb das Zweite, nämlich die Sache mit dem Pennplatz. Wir waren wieder in Landwirtschaftsgebiet, alles war flach, alles waren Felder. Wo soll sich da einer verstecken? Windschutz brauchten wir auch, der Sauhund hatte sich auf die späte Stunde sogar noch gegen uns gewandt. Wir fanden schliesslich hinter einigen Büschen einen grossen Garten, ohne Haus o.ä., aber mit einem Wiesli, wo wir unsere Hütte draufpflanzten. Unnötigerweise regnete es am Abend noch eine Weile, zum Glück aber weder stark noch lang. Kalt war es auch nicht und die Strasse verursachte auch nicht zuviel Lärm. Gar kein schlechter Platz also.

Der Morgen war warm und wir darum schon um punkt 8 Uhr startklar. Der Rückenwind war aber eindeutig passé und das, wie es sich herausstellen sollte, nicht nur vorübergehend. Dafür schien immer noch die Sonne und es war vorerst flach. Die Strasse, die auf der Karte als eher schmale Nebenstrasse eingezeichnet war, war in Wirklichkeit eine verkehrsreiche, aber auch gut mit Seitenstreifen ausgebaute Verkehrsachse. Je näher wir der Stadt Figueres kamen, umso mehr Lastwagen dröhnen an uns vorbei, und mit dem Einbiegen auf unsere gute alte N II änderte sich daran natürlich nichts. Dass wir uns immer noch in Catalunya befanden, wurde immer mal wieder mehr oder weniger subtil klargemacht und ich fragte mich, ob das wohl in França sein würde.

Man spricht immer noch katalanisch...
... und yep, und das muss auch nochmals gesagt sein.

In Grenznähe gab es aber noch sonderbarere Dinge zu sehen, wie z.B. leicht bekleidete Prostituierte, die sich am helllichten Tag an der Strasse „zum Kauf“ anboten. In Jonquera, Spaniens Grenzstadt gab es davon gleich mehrere, dazu auch eher Alltägliches wie riesige Einkaufszentren und Läden aller Art. Die Tatsache, dass da schon das Meiste auf Französisch angeschrieben war, machte klar, wer das Zielpublikum der Konsumtempel war. Nun stieg die Strasse auch an und die braunen Felder wurden von lichten Wäldern abgelöst. Sehr steil war der Anstieg zur Grenze zum Glück nicht und der breite Seitenstreifen sorgte dafür, dass wir immer schön glücklich und zufrieden waren. Die Grenze an sich bemerkte man kaum, und schon befanden wir uns in Frankreich.

Das französiche Grenzkaff namens Le Perthus war seinem spanischen Gegenstück recht ähnlich. Hier waren es aber weniger grosse Zentren, sondern unzählige Supermarchés, die um Kunden buhlten. Wir wählten den Ort für unsere Mittagspause, und weil es sich so anbot, leisteten wir uns eine Crepe zum Dessert. Danach ging es zügig auf einer neu asphaltierten Strasse wieder aus den Pyrenäen raus. Nach einer ewig erscheinenden Zeit auf der Hauptstrasse bogen wir ab in Richtung Thuir. Wir wollten die Stadt Perpignan grossräumig umfahren, und Campingmöglichkeiten sind neben kleineren Strässlis jeweils auch leichter zu finden. Zu unserer Überraschung fanden wir ausserhalb Thuir einen McDonald’s, so leer, wie wir das noch nie gesehen hatten. Es war aber auch nicht der Ort, wo man einen solchen Laden erwarten würde. Da gab es für uns aber Wasser und, naja, wenn schon, auch Pommes Frites. Und natürlich Wifi, was immer gut ist, wenn man auf Antwort möglicher WS wartet. Anschliessend fuhren wir vom Dorf weg, drehten auf immer kleinere Strässlis und Weglis ab und fanden eine recht geeignet aussehende Wiese, wo sogar jemand am Holz zersägen war. So fragten wir in holprigem Französisch, ob wir da allenfalls campen dürften. Da es nicht seine Weide war, machte der Herr ein kurzes Telefonat und gab uns dann das Ok zum übernachten. Die Wiese war zwar von schweren Regenfällen der Woche zuvor noch recht nass aber was gehen muss, geht auch. Als wir das Zelt aufgestellt hatten, sah ich, dass einer der letzten drei Flicken von Exped sich nun auch auf und davon gemacht hatte. Das brachte so wohl nichts, ich riss auch die beiden letzten Patches ab und verpflasterte die Löcher mit Duct Tape. Dabei fragte ich mich, ob der Erfinder von Duct Tape wohl je den ihm gebührenden Nobel-Preis erhalten hatte. Was würden wir ohne das unscheinbare graue Klebeband auch machen? Die Welt würde ja ganz schön schief in den Angeln hängen wenn es das nicht gäbe.

In der Nacht hatten wir Besuch eines grossen Hundes, der über eine Zeltschnur stolperte und dann mit seinem Gebell sämtliche weiteren Hunde der Umgebung rebellisch machte. Und die gaben dann ewig lang keine Ruhe mehr. Der Morgen war kühler als auch schon, aber nicht so richtig kalt. Die verschneiten Berge, die wir schon von Spanien aus gesehen hatten, leuchteten nun in der Morgensonne und stellten eine echte Verschönerung der Welt dar. Unser Holzsäger-Freund vom Vorabend und der Herr, dem wir die Camping-Erlaubnis verdankten, waren wieder bei der Arbeit als wir startbereit waren. Und luden uns kurzerhand zum Kaffee ein, so dass sich unsere Abfahrt um etwa eine Stunde verspätete. Ich kämpfte immer noch mit meinem Französisch, nun da ich die Sprache höre, kriecht sie aber auch langsam wieder aus meinen hintersten Hirnwindungen heraus.

Hübsche Schneebergen am Morgen.

Wieder kurvten wir durch ein Netz von kleinen Strasse, die durch kleine Dörfer führten. Nun liess sich die Feststellung nicht mehr verleugnen, dass die Franzosen einen klar anderen Fahrstil „pflegen“ als die Spanier. Von Individualdistanz und sonstigen Abständen hat man hier noch kaum je etwas gehört und überholt wird regelmässig auf verantwortungslose, ja gar kriminelle Art und Weise. Wäre ja noch schöner, wenn wir hier, so quasi fast vor unserer Haustüre, von der Strasse gefegt würden. Erschwerend hinzu kam ein starker WNW-Wind, den wir, je nach momentaner Richtung der Strasse, frontal ins Gesicht oder voll in die Seite kriegten. Zwischendurch vielleicht auch mal kurz von hinten. Wir navigierten durch Ortschaften mit Namen wie St. Féliu d’Avall, Pézilla-la-Rivière, Baixas und Espira-de-l’Agly. Bei einem grossen Supermarché stoppten wir, kauften frisches Brot und nutzten die Gelegenheit, windgeschützt Pause zu machen. Irgendwo setzten wir uns dann wieder auf die grosse Hauptstrasse, die einigermassen parallel zur Autobahn dahinblocht. Mal mit, mal ohne oder mal mit miesem Seitenstreifen und äusserst unterhaltsamen windigen Verhältnissen erkämpften wir uns stundenlang unseren Platz im Verkehr. Ah, und in Frankreich sind sämtliche Schilder u.ä. auf französisch, katalanische Eigenheiten, mal abgesehen von einer einsamen Fahne, gibt es hier nicht.

Für unsere Mittagspause fanden wir ein einigermassen windstilles Plätzchen bei einem verlassenen (oder nicht fertiggestellten?) Gebäude nahe einer Tankstelle. Als wir uns wieder auf die Velos setzten und uns in den Verkehr einschlichen, stellten wir sehr schnell fest, dass der Wind während unserer Pause nochmals ganz schön zugelegt hatte. Im Detail geht das Spiel mit Wind(böen) und Verkehr so: Der Wind bläst von links, also gibt man Gegensteuer nach rechts um nicht im Kies neben der Strasse zu landen. Lässt der Wind nach, schwankt man erst mal in die Strasse hinein, bis man das wieder aufgefangen hat, nur um von der nächsten Böe wieder von der Fahrbahn gepustet zu werden. Wenn sich da nun noch Autos, oder schlimmer, Lastwagen einmischen, wird’s extremer. Man steuert wie gesagt gegen den Wind an, wird von der Druckwelle des Lasters trotzt Gegensteuer fast ins Gebüsch geschmissen und vom Sog desselben gleich darauf wieder in Richtung Strassenmitte gerissen. Der Wind, der nun wieder freie Bahn hat, nutzt das daraus resultierende Geschwanke sofort um einen wieder von der Strasse zu pusten. Dank Rückspiegel hat man das ja kommen sehen und ist eigentlich gefasst. Was nicht viel nützt, die von der Kombination von Lastwagen und Wind kreierten Schub- und Zug-Kräfte kann man unmöglich kontrollieren. Nun stehen die Chancen gut, dass der Lastwagen nicht alleine kommt, die Wahrscheinlichkeit, dass der Fahrer des nachfolgenden Vehikels das Verhalten von Druckwellen, Sog und Wind kennt, ist aber praktisch gleich Null. Selbst Lastwagenfahrer, die ja meist Berufschauffeure sind, scheinen sich dessen nicht bewusst zu sein (oder es ist ihnen schlicht scheissegal). Bei solch starkem Seitenwind heisst das also de facto, dass wir mit jedem Laster riskieren, vor den nachfolgenden Verkehr geworfen zu werden. Das finden wir nicht nötig, weshalb wir beide sehr rasch die Notbremse zogen, bei der Tankstelle die Strasse wieder verliessen, die Situation besprachen und uns innert kürzester Zeit einig waren, dass bei solchen Verhältnissen weiterzufahren einem extrem mies konzipierten Selbstmordversuch gleichkommen würde.

Etwa so zerzaust fühlten wir uns auch.

Ok, aber was tun? Stöpplen? No way, hier fuhren nur PWs oder Lastwagen vorbei, und die können uns entweder nicht mitnehmen (im Fall von PWs), oder werden es, möglich oder nicht, auch sonst nicht tun (Lastwagen). Pick-ups gibt es in Europa kaum, darauf hoffen, ist also pointless. So untersuchten wir das Gestrüpp neben der Tankstelle und fanden da zwischen den Olivenbüschen einen recht flachen Ort, wo es interessanterweise nicht stark windete. Da könnte man ein Zelt aufstellen. Nun war aber erst 14 Uhr, so gingen wir ins Tankstellen-Shöpli und fragten, erstens ob wir da in den Büschen zelten dürften, und zweitens ob wir zuvor noch eine Weile da drin auf den Stühlen rumhängen könnten. Il n’y a pas d’souci. Das war dieselbe Antwort wie tags zuvor als es ums campen auf der Pferdeweide ging. Kein Problem also. So liessen wir zwei Kaffees aus der Maschine, pflanzten uns auf die Stühle mit der Absicht, die nicht so bald wieder herzugeben.

Im Laufe des Nachmittags erhielten wir noch Gesellschaft eines Autofahrers, dem die Velos draussen aufgefallen waren und der meinte, dass man bei diesem Wind doch nicht Velo fahren könne. Eben, darum sassen wir ja da drinnen. Und schon war eine Unterhaltung im Gange und als der Monsieur hörte, dass wir schon seit drei Jahren unterwegs waren, konnte er sich kaum mehr fassen. Von Leuten wie uns höre man sonst im Fernsehen oder lese in Zeitschriften, meinte er. Ob wir nicht auch einen Kaffee wollten. So plauderten wir durch den Nachmittag und stellten einmal mehr fest, dass das, was für uns inzwischen völlig normal ist, andere Leute fast umhaut. Hmm, hätten wir ja eigentlich ahnen müssen. Später stellten wir unser Haus zwischen die Oliven und hofften, dass der Wind einigermassen seine Richtung beibehalten und uns nicht aus den Angeln heben würde. Übrigens: dieser Wind heisst Tramontane und scheint hier eine Art Institution zu sein, wie die vielen Eoliennes, Windmühlen, hier beweisen.

In voller Kältemontur beim Tagebuch schreiben.
Neue Mitreisende seit Lloret de Mar.

Mit dem sturmsicher verankerten Zelt überstanden wir die Nacht aber problemlos. Der Morgen war kühl aber immerhin mit etwas weniger Wind. So strampelten wir bald wieder neben Autos und Lastwagen dahin und mühten uns mit dem miesen Seitenstreifen ab, so es denn etwas gab, das den Namen verdiente. Dieses jämmerliche Streifchen neben der Fahrbahn war holprig, zerlöchert, verkiest und überwachsen, bewahrte uns aber mehrheitlich davor, uns auf die Rennstrecke der Motorisierten begeben zu müssen. Der Wind machte das alles nicht unbedingt einfacher, er pustete uns aber immerhin nicht in den Strassengraben. Speziell spannend oder unterhaltsam war die Strecke nach Narbonne jedoch nicht. Erst flach, danach leicht hügelig, z.T. mit etwas weniger Wind, dann wieder mit mehr. In einem kleinen Dorf setzten wir uns vor eine geschlossene Beiz, wo es schön sonnig und windstill war. Dann ging es auch schon weiter und gegen 11.30 Uhr hatten wir Narbonne erreicht und den Bahnhof gefunden. Dort fanden wir heraus, dass man Velos problemlos in den regionalen Zügen mitnehmen kann und das erst noch gratis. Wow, da macht die SNCF der SBB ziemlich etwas vor.

Als wir dann aber versuchten, die Velos zum Gleis zu kriegen, änderte sich der gute Eindruck schnell. Da gab es nur Treppen, steil und relativ lang. Auf Nachfrage wurde uns bestätigt, dass das der einzige Weg zum Gleis war, einen anderen gäbe es nicht. Natürlich hätten wir die Velos abladen können, das ist jedoch jeweils mit recht viel Aufwand verbunden, weshalb wir alles dransetzten, das zu vermeiden. Zu zweit seilten wir die Velos die Treppe hinunter ab, in einem Fall sogar mit der freundlichen Hilfe eines vorbeigehenden Herrn. Auf der anderen Seite hinaufzukommen, war dann logischerweise nicht ganz so leicht. Das fanden wohl auch die Zuschauer, es regte nämlich keiner auch nur einen kleinen Finger um uns zu helfen. Wir schafften aber auch das, und als beide Velos da oben waren, kam mir in den Sinn, dass wir die Billete noch kompostieren mussten. Kein Problem, ich ging schnell zurück in die Bahnhofshalle, stempelte die Dinger und flog auf dem Rückweg zum Gleis unten an der Treppe voll Gas auf die Schnautze. Oder besser gesagt auf’s Knie. Clipschuhe mit völlig abgelatschten Profilen, wo der Clip hervorsteht, eignen sich eben nicht für glatte Steinböden und schnelles um-die-Kurve-biegen. Dass jener Zeigefinger, der schon auf dem Dempster arg vermöbelt wurde und erst in den letzten paar Wochen etwas an Beweglichkeit zurückgewonnen hatte, zwischen Boden und Knie gecrusht wurde, half auch nicht.

Im Zug hätte es dann genug Platz gehabt, beide Velos hintereinander an die Wand zu lehnen. Hätte, wenn nicht einer jener Klappsitze besetzt gewesen wäre. Die Dame, die da sass schnitt die Situation nicht mit und kam nicht auf die Idee, sich auf einen der vielen anderen leeren Plätze umzuplatzieren. So versperrte mein Hinterrad eben etwa die Hälfte der Tür. Was aber niemanden zu belasten schien. Später setzten sich zwei Leute auf weitere Klappsitze bei der Tür obwohl es noch andere freie Plätze gegeben hätte. So war diese Tür nun ziemlich elegant zugesperrt, ob das ausser uns jemanden wunderte, werden wir nie erfahren. In Montpellier stellte sich uns dann das bekannte Problem, dass wir wieder vom Gleis weg wollten. Da gab es aber Lifte und Rolltreppen. Der Lift war aber zu klein für die Velos, blieben die Rolltreppen. Die Fahrräder hinaufzukriegen klappte soweit recht gut. Auf der anderen Seite wieder runter endete in meinem Fall fast in einem Sturz zusammen mit dem Bici die Treppe hinunter. Ganz knapp konnte ich das noch verhindern, die Aussicht darauf war aber etwas GAU-mässig. Martinas Velo haben wir dann wieder zu zweit zurückgehalten.

Den Weg zur Adresse unseres Warmshower Hosts fanden wir ohne Probleme und da er uns mitgeteilt hatte, dass er ab 14.15 Uhr zu Hause sein würde, und wir um 14 Uhr angekommen waren, ging das perfekt auf (33.55 km in 2:45 Stunden). Nach einer Weile warten stellten wir das Natel an und kriegten die Meldung, er komme erst um 15.15 Uhr. Ok. Inzwischen mussten wir auf’s Klo und hatten Hunger, weshalb sich ein Café um die Ecke zum Verweilen anbot. Beim zweiten Versuch war Lukas dann da und schon bald hatten wir all unser Zeug in seiner Wohnung verstaut. Dass wir, anstatt wie im Profil beschrieben, anstelle eines Zimers zwei Sofas im Wohnzimmer zugewiesen kamen, war soweit ok. Dass in der Wohnung geraucht wurde, empfanden wir als ungewöhnlich, aber ok, es ist ja schliesslich seine Wohnung. Dass ein Student abends Besuch hat, ist auch normal und dass dabei lautstark diskutiert wird auch. Die äusserst starke Raucherei (die man in seinem WS-Profil erwähnen sollte) empfanden wir aber schon als nicht ganz optimal und eigentlich auch die Tatsache, dass man, obwohl müde, de facto keine Chance zu schlafen hat, war etwas frustrierend.

So hatten wir eigentlich schon vor, eine andere Unterkunft zu suchen, je nach dem, wie erfolgreich wir mit unserem Vorhaben, ein Zugbillet in den Norden zu kaufen, sein würden. Lukas hatte uns gewarnt, TGVs nähmen keine Fahrräder mit. In der Woche zuvor habe ein Ami alles unternommen, habe aber als Antwort immer "Nein" erhalten. Wir gingen darum am Donnerstag Morgen als erstes bei der SNCF vorbei und schilderten einer freundlichen Dame unsere Situation. Es komme auf den Zug an, wurde uns gesagt, gehe aber prinzipiell schon. Für unser Wunschdatum, den 9. November, spukte ihre Computadora gleich drei Züge nach Lyon oder Dijon aus, die Velos mitnehmen. Als wir uns geeinigt hatten, nach Dijon zu fahren, ging das dann ruck-zuck und schon hatten wir unsere Billete, wo schwarz auf weiss draufstand, dass wir mit Velos reisen und für deren Beförderung je 10 Euros bezahlt hatten. So einfach kann das sein, so schnell kann es gehen und so günstig kann es sein. D.h. wir bezahlten je 68 Euro für uns, was wohl ok ist, ab den 10 zusätzlich für die Räder zucken wir mit keiner Wimper.


Place de la Comédie et Fontaine des Trois Graces

Als nächstes stand dann die Touri-Info auf dem Programm, von der wir uns eine Lavamática, oder Laverie, wie das hier heisst, auf der Stadtkarte markieren liessen. Mit der sauberen Wäsche im Schlepptau spazierten wir anschliessend durch Montpelliers enge Strässchen und Gässchen, assen Panini avec Frites und eine Crepe au Creme de Marron. Also, so französische Goodies sind zwar nicht ganz billig, dafür meistens aber sackfein. Dann gibt es natürlich auch in Montpellier ein paar historische Dinge zu sehen und auch Martina fand, die Stadt sei noch ganz hübsch. Mein Verhältnis zu Montpellier ist natürlich eh etwas voreingenommen nach meinen Sprachaufenthalten hier in 2002 und 2003. Konkret, ich fand es recht cool, in eine bekannte Stadt zu kommen und ein paar Erinnerungen aufleben zu lassen. Eigentlich hatte ich vorgehabt, bei meiner Sprachschule vorbeizugehen und salut zu sagen, nun, da wir schon morgen wieder gehen, fällt das ins Wasser.

Porte du Peyrou.
Aqueduc Saint Clément, der zum Chateau d'Eau,
Montpelliers höchstem Punkt, führt.

Morgen nehmen wir nun also den Zug nach Dijon und werden dort eine Nacht bleiben. Via welche Route wir schlussendlich in die Schweiz zotteln werden, ist im Moment noch nicht entschieden, aber Pläne haben bis jetzt ja kaum je viel getaugt, besser, wir basteln da nichts allzuweit im Voraus.

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